Neue liturgische Formen für Flüchtlinge?
Für Hamburgs Erzbischof Stefan Heße ist eine angemessene Seelsorge für Flüchtlinge eine zentrale Aufgabe der Kirchen in Deutschland. Das sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz am Montag beim dritten katholischen Flüchtlingsgipfel in Köln.
Seelsorge für Muslime und Flüchtlingshelfer
Sowohl die muttersprachliche als auch die allgemeine Pastoral stehe vor neuen Herausforderungen. Dazu gehörten die Seelsorge für Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, die Seelsorge für Muslime, die konvertieren wollten, und die Seelsorge für die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. Letztere fühlten sich im derzeitigen Klima von Vorurteilen und Feindseligkeiten oft entmutigt. Auch die Nöte und Ängste von Flüchtlingen gerieten "allzu leicht aus dem Blick". Zudem sieht Heße die Frage, wie mit Vorbehalten gegenüber Geflüchteten in den Kirchengemeinden umgegangen werden könne, als Herausforderung. "Auch wenn wir nicht für alle Probleme eine Lösung anbieten können: Es ist unsere Aufgabe, präsent zu sein", so der Erzbischof.
Für christliche Flüchtlinge sei es bereits jetzt "ein großer Trost, in der Fremde Gottesdienste in ihrer Muttersprache und in dem ihnen vertrauten Ritus feiern zu können und Zugang zu den Sakramenten zu haben", so Heße. Er lobte, dass inzwischen vielerorts Gottesdienste und Gebetszeiten für geflüchtete Christen angeboten würden.
Ein konkretes Beispiel für eine neue Form der Seelsorge könnten nach Ansicht der Wiener Theologin Regina Polak sogenannte "Klage-Liturgien" sein. Dabei sei Klage nicht als Jammern gemeint, sondern "als klares Benennen des Leides, ohne falsche Vertröstung", so Polak. Auch Fürbitt-Gebete und eine ermutigende "Theologie des Kreuzes" könnten in diesem Zusammenhang neu belebt werden.
Seelsorge müsse außerdem nach den wahren Ursachen von Ängsten in der Flüchtlingsdebatte fragen, so Polak - und an Wege aus der Angst erinnern, die sich in der christlichen Tradition bewährt hätten. Es brauche andere Narrative als jene von "Überfremdung" und "Islamisierung". Die Bibel biete solche "migrationstheologischen" Erzählungen: Gott selbst habe "seine Geschichte von Befreiung und Erlösung der Menschheit maßgeblich mit Hilfe von Outlaws vorangetrieben", etwa mit Flüchtlingen und politisch Verfolgten.
Allein 2015 kamen bis zu 200.000 christliche Flüchtlinge
Zu dem Gipfel waren 150 Praktiker, Experten und ehrenamtliche Helfer nach Köln gekommen, um über Seelsorge für Flüchtlinge zu diskutieren. Das Treffen schloss an den vorangegangenen Gipfel 2016 in Frankfurt am Main an, bei die Integration der Flüchtlinge im Vordergrund stand. 2015 hatten die Bischöfe ihre "Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge" verabschiedet. Nach Schätzungen von Erzbischof Heße sind allein 2015 bis zu 200.000 Christen aus dem Orient nach Deutschland gekommen. Die große Mehrheit von ihnen gehöre einer orthodoxen Kirche an, aber auch die Zahl der Katholiken aus einer mit Rom unierten Ostkirche steige wegen der Fluchtbewegungen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus afrikanischen Ländern. (gho/KNA)
06.18.2017, 19.04 Uhr: ergänzt um weitere Details