Shoppen, shoppen, shoppen
In Nordrhein-Westfalen soll künftig doppelt so häufig sonntags eingekauft werden können: Die Kommunen dürfen dann an acht statt bisher vier Sonntagen geöffnete Ladentüren pro Geschäft und Jahr gestatten. So sieht es der Entwurf eines sogenannten "Entfesselungsgesetzes" vor, das NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Donnerstag in den Düsseldorfer Landtag einbrachte. Demnach dürfen insgesamt nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertage (bisher 11) pro Kalenderjahr freigegeben werden, geöffnet werden darf ab 13.00 Uhr für fünf Stunden. Darüber hinaus darf die Freigabe höchstens einen Adventsonntag umfassen, ausgenommen sind Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Zugleich wird die Ladenöffnung an Samstagen mit dem neuen Gesetz auf 24 Stunden ausgedehnt.
Die katholischen Bistümer kritisierten den Gesetzentwurf: Der Sonntagsschutz werde immer weiter ausgehöhlt, sagte ihr Vertreter bei Landtag und Landesregierung, Antonius Hamers, der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die Neuregelung mit den zusätzlichen Anlässen verkenne das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Zugleich kritisierte er, dass der von der Vorgängerregierung eingesetzte "Runde Tisch" zur Sonntagsöffnung mit Vertretern aus Handel, Gewerkschaften, Kommunen und Kirchen ausgesetzt wurde. "Wir waren auf gutem Weg, einen Kompromiss zu finden", so Pfarrer Hamers. Dagegen orientiere sich der neue Gesetzentwurf offenbar an einem Rechtsgutachten der Industrie- und Handelskammer.
Linktipp: Mehr Advent, weniger einkaufen
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt - aber bitte nicht in Geschäften, wenn es nach der "Allianz für den freien Sonntag" geht. Sie setzt sich gegen verkaufsoffene Sonntage ein, besonders im Advent.Einen Anlass zu Diskussionen hatte es kürzlich bereits wegen den Ladenöffnungszeiten an Heiligabend gegeben: Dieses Jahr fällt der 24. Dezember auf einen Sonntag. Zwar erlauben Sonderregellungen in einigen Bundesländern Geschäften, die vor allem Lebens- und Genussmittel anbieten, ungeachtet des Sonntags für einige Stunden zu öffnen. Aber die meisten werden das wohl nicht tun: Große Handelsketten wie Aldi und Rewe sowie Penny gaben bekannt, dass sie an Heiligabend nichts verkaufen wollen. "Am Heiligabend denken wir hier vor allem an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach einer langen, intensiven Woche in Ruhe das Weihnachtsfest begehen sollen", begründete Aldi seinen Schritt.
Geschenke oder Lebensmittel auf den letzten Drücker kaufen wird also dieses Jahr nicht leicht. Aus Sicht der Kunden sei es tatsächlich eine Überlegung wert, dass diese Geschäfte die Ausnahmeregelung nutzen und öffneten, meint Jörg Althammer, Professor für Wirtschaftsethik und Sozialpolitik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. "Denn dadurch, dass auch am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag die Geschäfte geschlossen sind, gibt es drei Wochentage am Stück, an denen man nicht einkaufen gehen kann."
„Es wird ja deswegen nicht grundsätzlich mehr konsumiert, sondern der Gesamtkonsum verteilt sich.“
Auch den verkaufsoffenen Sonntag an Heiligabend hatte Hamers vom katholischen Büro in Düsseldorf bereits als "ziemlich überflüssig" bezeichnet. "Ich denke, man muss kein Logistik-Experte sein, um spätestens am Samstag Lebensmittel für drei Feiertage einzukaufen", sagte er vor einigen Tagen. Die Entscheidung der großen Handelsketten, auf Rücksicht auf ihre Mitarbeiter die Läden geschlossen zu lassen, findet er "sehr begrüßenswert". Das mache deutlich, dass es die Beschäftigten seien, die für eine Ladenöffnung an Heiligabend den Kopf hinhielten. "Ich hoffe, dass die Entscheidung der Großen ein Vorbild für kleinere und selbstständige Einzelhändler ist", so Hamers. Bei selbstständigen Märkten wie bei vielen Edeka-Filialen und auch Bäckern ist es dem Marktleiter beziehungsweise Eigentümer überlassen, ob geöffnet wird. Auch die deutschen Bischöfe lehnten ein verkaufsoffenen Heiligabend ab: "Um die letzten Einkäufe zu erledigen, steht uns die gesamte Woche und der Samstag zuvor zur Verfügung", begründete der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, diese Einstellung.
Die Verbraucher jedenfalls scheinen keinen Bedarf zu verspüren, dieses Heiligabend noch einen Einkauf zu machen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey im Auftrag der "Welt" ist die große Mehrheit der Deutschen – 87,2 Prozent – der Meinung, dass die Geschäfte an diesem Tag geschlossen bleiben sollten. Nur jeder Zehnte (10,3 Prozent) ist demnach dafür, 2,5 Prozent sind unentschlossen. Das spiegelt sich auch in den Sozialen Netzwerken: Die Märkte, die dort ankündigen, an Heiligabend ihre Türen geschlossen zu lassen, erhalten größtenteils positive Rückmeldungen der Nutzer.
Der Samstag wird der Stress-Tag
Wirtschaftsethiker Althammer ist von dieser Stimmung jedoch nicht überzeugt. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er noch nachvollziehen, dass es den Deutschen recht sei, blieben die Geschäfte zu. "Das wird sich ändern, je näher wir dem 24. Dezember kommen." Denn viele hätten jetzt noch gar nicht realisiert, dass man spätestens am Samstag alle Einkäufe erledigen müsse. Auf diesen und den Freitag davor würden dann der Stress und die Hektik der Last-Minute-Einkäufe fallen.
Ob sich ein verkaufsoffener Heiligabend für die Händler überhaupt lohnen würde, lasse sich nicht pauschal beantworten. Denn wie bei anderen verkaufsoffenen Sonntagen auch, gelte, dass sich der Umsatz auf mehrere Wochentage verlagere. "Es wird ja deswegen nicht grundsätzlich mehr konsumiert, sondern der Gesamtkonsum verteilt sich", erklärt Althammer. Hinzu komme, dass den Arbeitnehmern dann entsprechende Sonntagszuschläge gezahlt werden müssten – zusätzliche Kosten, die den Umsatz für die Händler schmälern können.
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Andersherum könnten jedoch die Supermärkte, die als einzige in ihrem Umkreis am 24. geöffnet haben, Gewinn aus ihrem Quasi-Monopol schlagen. "Dann werden sich die Konsumströme zwischen den Einzelhändlern verlagern und die Geschäfte, die geschlossen haben, werden für diesen Zeitpunkt Umsatzverluste in Kauf nehmen müssen", so Althammer. "Letzten Endes muss der Einzelhändler selbst abwägen, ob die Zuschläge für die Beschäftigten stärker zu Buche schlagen als der Umsatzrückgang." Althammer plädiert daher für eine einheitliche Regelung.
Wie sehen das eigentlich die Kassierer, Bäckermeister oder Aushilfen, die an Heiligabend arbeiten müssten? Die Beschäftigten im Einzelhandel wollten sich wie jeder andere auf das Weihnachtsfest vorbereiten und gemeinsam mit ihren Familien feiern, sagte Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi, der dpa. "Wenn Heiligabend dieses Jahr ein Sonntag ist, ist die Überlegung, gerade an diesem Tag die Sonntagöffnungszeiten anwenden zu wollen, unglaublich zynisch." Daher hat verdi dazu aufgerufen, dieses Jahr auf den Einkauf kurz vor knapp zu verzichten.
"Unfassbar" findet Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, diesen Boykott-Aufruf. Wegen der Sonntagszuschläge sei es für die Händler kein Problem, Beschäftigte zu finden, die am 24. Dezember arbeiten wollen, sagte sie der Hamburger Morgenpost. Zudem würden die Dienste mit dem Betriebsrat abgestimmt. "Der Boykott richtet sich gegen die Arbeitnehmerinteressen."
Dass ein verkaufsoffener Heiligabend Konfliktpotential birgt, sieht auch Wirtschaftsethiker Althammer: Da, wo ein Geschäftsinhaber sich zu einer Öffnung an Heiligabend entschließe, sei es gut möglich, dass es zu intensiven Diskussionen in der Belegschaft komme. "Das Unternehmen wäre nicht gut beraten, gegen den Willen der Beschäftigten am Sonntag zu öffnen, da das das Betriebsklima stören und zu einer Verstimmung zwischen Beschäftigten und Unternehmensleitung führen kann."