"Der Papst wird nach Russland kommen"
Frage: Herr Erzbischof, seit 2007 sind Sie Erzbischof von Moskau. Angesichts der Geschichte der katholischen Kirche in Russland und des in der Vergangenheit mitunter schwierigen Verhältnisses zur russisch-orthodoxen Kirche ist das noch immer etwas Besonderes. Wie würden Sie selbst ihr Leben in Russland beschreiben?
Pezzi: Mein Leben in Russland ist in der Tat ein wenig ungewöhnlich, schließlich ist man als katholischer Geistlicher in diesem Land noch immer ein Exot. Aber ich erlebe in meinem Alltag als Erzbischof von Moskau und als Bürger keinerlei Nachteile oder Probleme. Als Erzbischof kann ich meinen Amtsgeschäften und meinen religiösen Praktiken ohne Einschränkungen nachgehen, und als Bürger kann ich in Moskau normal und unbehelligt leben.
Frage: Wie treten Ihnen die Menschen in Russland denn gegenüber? Welche Reaktionen erleben Sie?
Pezzi: Die Menschen in Russland wissen natürlich, dass die katholische Kirche in ihrem Land präsent ist; für die meisten Russen spielt das jedoch keine Rolle. Entscheidender ist aber auch etwas anderes: Wir haben heute als katholische Kirche keine nennenswerten Probleme mit den Menschen in Russland, die ja weit überwiegend nicht katholisch sind, oder mit der russisch-orthodoxen Kirche. Dafür bin ich sehr dankbar.
Stichwort: Katholische Kirche in Russland
Die katholische Kirche in Russland ist eine kleine Diasporakirche: Nur etwa eine Million der rund 147 Millionen Russen bekennen sich zum Katholizismus. Die heutige katholische Präsenz in Russland wurde erst nach dem Ende der Sowjetunion durch Papst Johannes Paul II. (1978-2005) neu aufgebaut. Heute besteht die katholische Kirche in Russland aus vier Bistümern, Vorsitzender der Konferenz der römisch-katholischen Bischöfe in Russland ist seit Mai 2017 Bischof Clemens Pickel. Ebenso wie der gebürtige Sachse stammen wegen des extremen Mangels an einheimischen Priestern etwa 90 Prozent der rund 350 katholischen Geistlichen in Russland aus dem Ausland. Das lange Zeit schwierige Verhältnis von katholischer und russisch-orthodoxer Kirche hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. (stz/KNA)Frage: Wie würden Sie den aktuellen Zustand des Verhältnisses der katholischen zur orthodoxen Kirche in Russland beschreiben?
Pezzi: Das Verhältnis hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert – und es entwickelt sich weiterhin positiv. Mir persönlich sind vor allem die Treffen mit dem damaligen Patriarchen Alexius II. noch in guter Erinnerung. Es war für mich sehr bewegend, als er mich 2007 und 2008 erstmals dazu einlud, gemeinsam mit ihm in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale das Weihnachts- und das Osterfest zu feiern. Er hat mir damals gesagt: Wir Christen – egal ob orthodox oder katholisch – haben eine gemeinsame Mission und wir sollten stärker zusammenarbeiten. Leider verstarb er wenige Monate später, so dass wir diesen Impuls nicht vertiefen konnten.
Frage: Und wie ist Ihr Verhältnis zu Alexius' Nachfolger, dem amtierenden Patriarchen Kyrill I.?
Pezzi: Patriarch Kyrill und ich haben ebenfalls ein gutes Verhältnis und arbeiten in vielen Fragen zusammen. Und auch er lädt mich regelmäßig zu orthodoxen Feierlichkeiten ein.
Frage: Welche Auswirkungen hatte denn das historische Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill im Februar vergangenen Jahres auf Kuba? Hat sich das katholisch-orthodoxe Verhältnis seitdem verändert?
Pezzi: Definitiv. Beide Kirchen haben sich seit dem Treffen noch einmal stärker angenähert, es ist in Russland heute eine große Offenheit im Verhältnis von Katholiken und Orthodoxen zu spüren. Beide Kirchen haben gemerkt, dass sie noch intensiver zusammenarbeiten können – zum Beispiel bei der Evangelisierung und der Stärkung des christlichen Zeugnisses. Darüber hinaus kooperieren wir ganz konkret, wenn es um Unterstützung für bedürftige Menschen in Russland oder für die Christen im Nahen und Mittleren Osten geht.
Frage: Im August war Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Russland. Auch sein Besuch wurde als Zeichen für das gewachsene Vertrauen zwischen Moskau und Rom gewertet. Wie haben Sie den Besuch erlebt?
Pezzi: Es war die erste offizielle Reise eines Kardinalstaatssekretärs nach Russland, insofern kann man diesen Besuch gar nicht hoch genug einschätzen. Während der Reise gab es eine Reihe wichtiger Begegnungen: Zunächst haben wir katholischen Bischöfe – es gibt nur vier katholische Bischöfe in ganz Russland – mit Kardinal Parolin gesprochen. Das war ein sehr beeindruckendes Treffen, denn er war sehr gut informiert über die Situation der katholischen Kirche und das kirchliche Leben in Russland. Eine wunderbare Erfahrung war auch der Gottesdienst mit dem Kardinalstaatssekretär in unserer Kathedrale. Obwohl der Gottesdienst an einem Montag stattfand, war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt.
Frage: Und wie haben Sie das Treffen von Kardinal Parolin mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Erinnerung?
Pezzi: Das war natürlich eine sehr wichtige Begegnung, ebenso wie die Gespräche mit Außenminister Sergej Lawrow, Patriarch Kyrill und Metropolit Hilarion, dem Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche. Ich denke, dass all diese Gespräche in einem guten Klima stattgefunden haben.
Frage: Viele Katholiken fragen sich angesichts der positiven Entwicklungen im Verhältnis von katholischer und russisch-orthodoxer Kirche, ob es in absehbarer Zeit zu einem Papstbesuch in Russland kommen wird. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Pezzi: Ich hoffe und bin fest davon überzeugt, dass der Papst nach Russland kommen wird – aber auch ich weiß nicht, wann solch ein Besuch stattfinden wird.