Thomas Winkel über die nächste Bundesregierung

Keine Koalition ohne Kompromisse

Veröffentlicht am 24.11.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Thomas Winkel über die nächste Bundesregierung

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Endlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont hinter Schloss Bellevue! Warum? Aus den vertraulichen Gesprächen, zu denen Bundespräsident Steinmeier die Parteichefs in diesen Tagen einbestellt hat, ist bisher kaum etwas nach außen gedrungen. Das beweist schon mal Respekt und Vertrauen – und ist deshalb ein Fortschritt gegenüber den geplatzten Sondierungen mit all den Sticheleien vor und hinter den Kameras. Auf den neuen Stil, auch wenn er teilweise der Achtung vor dem höchsten Staatsamt geschuldet sein mag, lässt sich aufbauen.

Als Ex-Außenminister beherrscht Steinmeier das diplomatisch-politische Parkett. Aus guten Gründen will er keine Neuwahlen, sondern stattdessen ausloten, ob doch noch eine Koalition möglich ist. Hinter verschlossenen Türen, sozusagen in einem kleinen "Konklave". Interessanterweise schlagen der Staatspräsident und ein prominenter Kirchenmann einen ähnlichen Weg aus der Sackgasse vor, fast wortgleich. Der in Managerseminaren erprobte Pater Anselm Grün fordert, die Politiker sollten die Pause "zum Innehalten und Nachdenken" nutzen. "Innehalten und ihre Haltung überdenken", verlangt der Präsident. Oder salopper gesagt: einfach mal durchatmen und runterkommen.

Runter vom hohen Ross der Eitelkeiten und Selbstinszenierung, raus aus dem Schmollwinkel, beiseite mit den Emotionen (die sind anderswo gefragt). Jetzt, nachdem die Wähler ihre Arbeit gemacht haben, ist einfach nüchterne Sacharbeit gefordert. Zu Recht appellieren die Kirchen an die Verantwortung für das Gemeinwohl, wegen ihrer parteipolitischen Neutralität zugegebenermaßen recht abstrakt.

Die Gesprächsarbeit sollte dann aber nicht mehr kleinkariert und bei 237 (oder 238?) trennenden Spiegelstrichen beginnen, sondern beim großen Ganzen und der vorrangigen Frage nach den Gemeinsamkeiten. Und im Bewusstsein der Binsenwahrheit: Keine Koalition ohne Kompromisse. Als nur-10-Prozent-Partei kann man ebenso wenig 100 Prozent des eigenen Parteiprogramms durchsetzen wie als gerade-mal-26-Prozent-Partei. Und sich wie die Schulz-SPD als zweitstärkte Kraft (und älteste demokratische Partei des Landes!) noch am Wahlabend vom Acker zu machen - nun ja. Zum Glück gibt es auch hier neue Töne …

Übrigens, deutsche Schüler sind nach einer Pisa-Studie von dieser Woche relativ gute Teamarbeiter. Sie stimmten sich bei ihren Aufgaben untereinander ab und arbeiteten sachgerecht zusammen. Wenn es jetzt schon Zeugnisse gäbe, bekämen sie in diesem Fach bessere Noten als die meisten Politiker. Aber diese sind immerhin beim Nachsitzen. Vielleicht also endet auch das Berliner Konklave doch noch mit weißem Rauch.

Von Thomas Winkel

Der Autor

Thomas Winkel ist Chef vom Dienst der Katholischen Nachrichten-Agentur in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.