Rolf Zuckowski: Mehr als nur fröhliche Kinderlieder
Er ist wohl der bekannteste Kinderstar: Rolf Zuckowski. "Die Jahresuhr", "Immer wieder kommt ein neuer Frühling" oder "In der Weihnachtsbäckerei" sind echte Ohrwürmer geworden - unabhängig vom Alter. Doch sein neues Album ist anders. Wir haben mit dem Sänger gesprochen.
Frage: Herr Zuckowski, eines Ihrer bekanntesten Lieder zur Weihnachtszeit ist "In der Weihnachtsbäckerei. Was bedeutet es Ihnen?
Zuckowski: Dieses Lied hat schon eine unglaubliche Kraft gewonnen. Es ist vielleicht jetzt schon ein Volkslied, noch zu meinen Lebzeiten. Welch' ein Geschenk! So richtig Weihnachten ist in diesem Lied aber ja nicht, sondern eher eine adventliche Bäckerstimmung. Darum bin ich sehr glücklich, dass auf meinen inzwischen sechs weihnachtlichen CDs doch sehr viele Türchen geöffnet werden, die über das Backen hinaus in den Advent und dann auch in den Heiligen Abend hineinführen.
Frage: Seit Jahrzehnten wachsen Kinder mit Ihren Liedern auf – die sind ja gerade zur Adventszeit durchaus mit klarem christlichem Hintergrund. Woher kommt Ihre persönliche Verbindung zum Glauben?
Zuckowski: Ich bin ja ein Kind der Hansestadt Hamburg. Religiosität ist bei uns nicht unbedingt im Haushalt gelebt, sondern eher vermittelt worden durch die Schule und den Religionsunterricht. Aber Tradition spielte eine große Rolle. Wir haben immer versucht, das nicht nur ganz oberflächlich zu sehen. Religiosität ist also nicht das Thema der Kindheit und Jugend gewesen. Ich habe mich aber in späteren Jahren in einiges hineingelesen und auch einige Menschen, auch Kirchenleute, gefunden, die mir viele Dinge etwas besser eröffnen konnten. Und ich habe versucht, das in meinen Liedern zu reflektieren.
Frage: Woher kommt die Inspiration für Ihre Musik?
Zuckowski: Wenn ich das wüsste (lacht). Es gibt ja die Parabel vom Puppenspieler von Kleist. Dieser Puppenspieler wird irgendwann von jemandem aufgeklärt, warum er denn so gut spielen kann. Und von da an kann er das nicht mehr, weil er sich plötzliche selbst zu gut versteht. Inspiration ist ein großes Geheimnis. Ich glaube, es hat bei mir ganz viel mit der Liebe zu Musik zu tun. Ich spüre immer, dass ich das Glück habe, Melodien einfangen zu können. Manchmal kommen sie aus mir heraus, manchmal scheinen sie in der Luft zu liegen. Woher die Inspiration kommt, weiß ich tatsächlich nicht. Die Liebe zur Musik ist allemal in meiner Familie angelegt: durch meine singende Mutter, die nicht beruflich, sondern privat unglaublich gern und viel gesungen hat – in allen Lebenslagen und auch in allen Stimmungen. Und auch durch meinen Großvater, der leider sehr früh gestorben ist. Er war Chorleiter und hat sich immer ganz besonders gefreut hat, wenn ich ihm was vorsang.
Frage: Wie wichtig ist Musik denn für Kinder?
Zuckowski: Aus meiner Sicht ist Musik ganz elementar. Meine Stiftung "Kinder brauchen Musik" heißt deshalb auch so. Ich glaube, dass Musik letztendlich sehr viel mit unserer Seele zu tun hat. Wir spüren in der Musik, dass da etwas mit uns geschieht, wofür wir kaum Worte finden. Das ist ein Zauber und den haben die Kinder auch nötig, um einerseits sich selbst, andererseits sich als Teil der Gemeinschaft besser zu verstehen. Letztlich kann Musik auch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ganz stark fördern.
Frage: Der Zauber der Musik ist ja vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit spürbar. Was wird da bei Ihnen zu Hause gesungen?
Zuckowski: Dadurch, dass ich Konzerte gebe und mich darauf vorbereite, singen wir immer mal wieder meine Lieder. Meine Frau stimmt da spontan auch gerne mit ein. Ein Freund von uns in der Schweiz, Peter Reber, hat eine ganz große Gabe, weihnachtliche Stimmung in Musik umzusetzen. Wir haben zusammen ein Album "Sehnsucht nach Weihnachten" produziert. Das hört meine Frau beim Schmücken der Wohnung besonders gern. Und wir hören gern Klassik. Gestern Abend haben wir ein Konzert von Vivaldi gehört und dabei Adventsgeschichten gelesen. Die richtigen klassischen Weihnachtslieder hören und singen wir aber nur an Heiligabend und an den Weihnachtstagen. Da gibt es eine alte LP-Aufnahme vom Kinderchor des Norddeutschen Rundfunks. Diese klassischen Weihnachtslieder sind bei uns unverzichtbarer Teil der Weihnacht, alles andere ist Advent: sich auf Weihnachten zubewegen, sich einstimmen und vorbereiten. Da spielen bei uns auch meine Lieder eine große Rolle.
Frage: Und wahrscheinlich auch "In der Weihnachtsbäckerei"?
Zuckowski: Tatsächlich. Im Wesentlichen wird es bei uns auch beim Backen gesungen.
Frage: Mittlerweile hat sich bei uns ja fast schon ein Kulturkampf zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann ergeben. In Ihrem Lied "Nikolaus und Weihnachtsmann" können die aber ganz gut nebeneinander existieren…
Zuckowski: Als Hamburger Kind war der Weihnachtsmann für mich eine Figur, an der man nicht vorbeikam. Er war auch nichts Überhöhtes, sondern einfach ein verkleideter Mann. Ich hab in ihm auch selbst nie mehr als das gesehen. Der Weihnachtsmann hat uns nie die Geschenke gebracht. Er ist eher eine Brauchtumsfigur, die man zelebrieren kann oder auch nicht. Aber niemand, vor dem man Angst machen sollte. Das tut weder den Kindern noch der Figur gut. Aber das Christkind oder der heilige Nikolaus haben sehr viel mehr Inhalt und sehr viel mehr Würde. Wenn man den Weihnachtsmann mit etwas Humor sieht und wenn man in diese irdische Figur nicht zu viel Autorität hineinlegt, dann kann sie aber nicht schaden.
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Frage: Sie haben gerade mit "Wär uns der Himmel immer so nah" ein neues Album produziert. Was ist der Hintergrund von diesem doch etwas anderen Arrangement?
Zuckowski: Auf dem Album ist eine Reihe von Liedern mit eher erwachsener Weihnachtsstimmung zusammengestellt. Ich wollte die Lieder, die ich sowieso schon auf verschiedenen Alben hatte, noch einmal in einem Programm gesammelt erklingen zu lassen. Für alle, die etwas tiefer in die Adventsstimmung einsteigen wollen. Die Lieder waren auf vier, fünf CDs verteilt und bedeuten mir alle besonders viel. Zwischendurch hat der schwedische Pianist Martin Tingvall einige meiner kindlichen Weihnachtslieder wie etwa "In der Weihnachtsbäckerei" auf dem Klavier neu interpretiert. Ich dachte, ich brauche irgendwo zwischen meinen intensiven Gesangsstücken diese instrumentalen Atempausen. Mit diesen erwachsenen Interpretationen meiner kindlichen Weihnachtslieder weckt Martin Tingvall Erinnerungen, die man mit diesen Liedern verbindet – vielleicht singt oder summt man auch einfach so mit. Musikalisch ist in den Liedern einiges mehr drin, als man es mit den Texten allein spüren kann. Die Idee dahinter: wie ein weihnachtliches Programm im Radio, das von Anfang bis Ende durchgestaltet ist.
Frage: Die Lieder sind nicht nur besinnlich. Gerade bei Texten wie "Und wenn er wirklich wiederkäm" ist der Hörer ja schon herausgefordert. Ist Weihnachten denn nicht nur Wohlfühlatmosphäre?
Zuckowski: Es sind durchaus ernste Themen in Lieder hineingewoben, sodass man einerseits Freude haben kann, aber auch nachdenklich wird. Das Lied "Und wenn er wirklich wiederkäm" singt ja meine Tochter. Die Melodie des Liedes, das ursprünglich aus Schweden stammt, hat mir unglaublich gut gefallen. Irgendwann bin ich dann darauf gekommen, dass wir uns vielleicht auch schon mit der Frage auseinandersetzen "Wie würde dieser Jesus heute vor uns stehen?" – als eigentlich uns Fremder vom Erscheinungsbild, von der Hautfarbe, von den Haaren her. Da kann sich jeder seine Gedanken machen, wie er dazu steht und wie er dazu stünde. Ob er diesem Fremden vertrauen könnte, ob er Ängste haben würde. In dem Sinne hat das Lied eine Aktualität, obwohl es schon 20 Jahre alt ist.
„Es gibt viele Ebenen, auf denen Weihnachten auch wehtun kann.“
Frage: Mit "Silber und Gold" orientieren Sie sich an einer traditionellen anglikanischen Kirchenhymne.
Zuckowski: In England spielt Musik an Weihnachten ja eine ganz große Rolle. Diese Komposition, das Volkslied "God rest ye merry gentlemen", gibt es schon mehr als 100 Jahre. Irgendwann habe ich begonnen, das ganz unbewusst deutsch zu singen. Das mache ich oft, wenn mir ein Lied in der Fremdsprache nicht nah genug ist. Ich will dann die Seele des Liedes freilegen und der Komposition noch mehr auf die Spur kommen.
Frage: Im letzten Stück sagen Sie, dass Weihnachten manchmal ein bisschen weh tut. Warum?
Zuckowski: Es gibt viele Ebenen, auf denen Weihnachten auch wehtun kann. Wir alle kennen den Verlust, den man Weihnachten besonders spürt. Wenn Menschen nicht mehr da sind, die im vergangenen Jahr Weihnachten noch mitfeiern konnten. Oder wenn Spannungen in der Familie sich gerade zu Weihnachten nicht legen lassen. Da mischt sich dieses wohlige Weihnachtsgefühl mit Wehmut. In den letzten Jahren spürt man das noch etwas dramatischer. Die Weihnachtswohlstandswelt, in der die meisten von uns Weihnachten feiern können, steht doch in teilweise schon schmerzhaftem Kontrast zur Bitterkeit, in der viele weltweit das Weihnachtsfest erleben. Das habe ich versucht, so auszudrücken.
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Frage: Steht das Album also im Kontrast zum fröhlichen Kinderweihnachten mit Rolf Zuckowski?
Zuckowski: Die Lieder, die ich da zusammengestellt habe, waren teilweise in den familiär-kindlichen Alben drin. "Wär uns der Himmel immer so nah" ist zum Beispiel vom Album "Winterkinder". Aber in seiner erwachsenen Gedankenwelt ist es dort vielleicht nie so deutlich geworden, weil es mit kindlichen Winter- und Weihnachtsliedern umgeben war. Es ist aber ein Lied, das viele auch in nachdenkliche Weihnachtsstimmung gebracht hat: "Wär uns der Himmel immer so nah, und unsere Arme immer so offen, fänden viele sicher die Kraft, wieder zu hoffen." Ich wollte meine nachdenklichen weihnachtlichen Gedanken auch etwas konzentrierter zusammenfassen und trotzdem ein schönes, wohlklingendes und beseeltes Album machen. Musik soll doch letztendlich gut tun. Die nachdenklichen Gedanken sind über das Album so verteilt, dass man in eine positive Stimmung kommt, sich auf Weihnachten vorbereiten kann und dabei in meiner Musik mehr sieht als "Weihnachtsbäckerei" oder Winterfreuden wie "Es schneit".
Frage: Diese und viele andere Lieder begleiten die Menschen seit Jahrzehnten. Denken Sie ans Aufhören?
Zuckowski: Nein, das kann ich gar nicht. Ich denke nur daran, den Dingen immer die Gewichtung zu geben, die ich mit mir und meiner Frau auch leben kann. Seit fünf Jahren habe ich keine eigenen Konzerte mehr gegeben, sondern Einladungen als singender Ehrengast angenommen. Ich habe dieses Jahr eine Tournee gemacht, weil es seit genau 40 Jahren Kinderlieder von mir gibt. Diese Tournee war mir und meinem Repertoire gewidmet. Ich habe mich eingebracht, musste aber nicht alles organisieren. Ich war entspannt. Entspannter als je, meinte meine Frau (lacht). Das wäre für mich in den kommenden Jahren ganz wichtig: Dass ich Dinge mache, in denen ich mich nicht verkrampfe, in denen die Arbeit die Freude nicht überdeckt. Aber da wird es noch viel geben.