Woher die "Tochter Zion" und der "Dornwald" kommen
Tochter Zion
"Jauchze laut, Jerusalem": Wer diese Textstelle im vierstimmigen Gesang hört, weiß, dass das Weihnachtsfest nicht mehr weit ist. Die Vorfreude, die in dieser Melodie wie eine Fanfare erklingt, lässt sich auch ohne Text spüren. Diese Melodie komponierte ursprünglich Georg Friedrich Händel 1747 für sein Oratorium "Joshua" – und er fand sie wohl so gut, dass er sie, mit kleinen Änderungen, in seinem Oratorium "Judas Maccabäus" wiederverwendete. Der englische Originaltext, der einen erfolgreichen Helden ankündigt, ist von dem Librettisten Thomas Morell. Der deutsche Text, unter dem das Lied berühmt wurde, stammt von dem evangelischen Theologen Friedrich Heinrich Ranke um 1820.
Das Bild der jauchzenden Tochter Zion kommt aus dem Buch Sacharja (9,9), in dem es in der Übersetzung nach Luther heißt: "Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin." Mit "Tochter Zion" ist die Stadt Jerusalem gemeint, die sich freuen soll, weil der Sohn Davids, also Jesus, als Friedensbringer zu ihr kommen wird. Der Einzug Jesu in Jerusalem (Matthäus 21,1-9) und die Zuschreibung als "Friedefürst" sowie als Kind des ewigen Vaters (Jesaja 9,5) sind ebenfalls biblische Motive.
Maria durch ein Dornwald ging
Die Melodie dieses Liedes ist sehnsüchtig und erzeugt eine mystische Stimmung. Der Text gibt Rätsel auf: Er erzählt von der schwangeren Maria, durch die ein Dornenwald wieder Rosen trägt. In der Bibel findet sich dieses Motiv nicht. Die Sprache und die Versform der drei Strophen scheinen alt zu sein, doch gesichert ist nur, dass das Lied seit Mitte des 19. Jahrhunderts bei Wallfahrten in Eichsfeld in Thüringen sowie im Bistum Paderborn gesungen wird. Die Literaturwissenschaftler Hermann Kurzke und Christiane Schäfer haben das Lied bis zum Volksliedsammler August von Haxthausen (3. Februar 1792 – 31. Dezember 1866) zurückverfolgt, der es mit sieben Strophen in einer Liedersammlung 1850 veröffentlichte. Die Wissenschaftler schließen, dass es an Silvester als Ansingelied gesungen wurde, um Spenden zu erbitten, und nur vermeintlich alt ist: "Es handelt sich beim Dornwaldlied wahrscheinlich nicht um altes, sondern um romantisch erneuertes Ansingebrauchtum, um poetische Folklore, die ihre Künstlichkeit vergessen hat."
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit
Aus diesem Lied glitzert die adventliche Vorfreude in barocker Opulenz: "Er ist die rechte Freudensonn, / bringt mit sich lauter Freud und Wonn" – so heißt es in der dritten Strophe über die Ankunft Gottes, des Königs. Auf diesen sollen sich alle innerlich vorbereiten und "die Zweiglein der Gottseligkeit" mit "Andacht, Lust und Freud" aufstecken. Dabei waren die Umstände alles andere als glückverheißend, als der evangelische Pfarrer und Kirchenliederdichter Georg Weißel 1623 den Text schrieb: Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) hatte die deutschen Gebiete erfasst. Weißel dichtete die Strophen für eine Kircheneinweihung und bezieht sich dabei auf Psalm 24. In dem heißt es in der Übersetzung von Martin Luther: "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!" Die Melodie wird dem evangelischen Theologen Johann Anastasius Freylinghausen aus Halle zugeschrieben und auf das Jahr 1704 datiert. Das Lied ist eines der beliebtesten Adventslieder in den christlichen Kirchen.