Caritas stellt Jahreskampagne 2018 vor
In den steigenden Wohnkosten sehen fast 80 Prozent der Deutschen ein erhebliches Armutsrisiko. Das geht aus einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten repräsentativen Umfrage des IPSOS-Instituts im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes hervor. Demnach sehen drei Viertel der Befragten als Folge der steigenden Mieten eine wachsende Schere zwischen armen und reichen Menschen. Die Studie erschien zum Start der diesjährigen Caritas-Kampagne, die unter dem Motto steht: "Jeder Mensch braucht ein Zuhause."
Viele sind chancenlos auf dem Wohnungsmarkt
Familien, alte und einkommensschwache Menschen oder Studenten würden in Großstädten und Ballungsgebieten zunehmend aus Stadtvierteln verdrängt, beklagte Caritas-Präsident Peter Neher. "Wohnungsnot ist zu einer sozialen Wirklichkeit geworden, die gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial birgt", so Neher. "Wenn zunehmend der Geldbeutel bestimmt, wie sich Stadtteile und Quartiere zusammensetzen, führt dies zu einem Auseinanderdriften von Milieus und schwächt so den gesellschaftlichen Zusammenhalt."
Laut Studie gehört das Thema bezahlbares Wohnen neben Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung für die meisten Deutschen zu den drängendsten politischen Herausforderungen. Knapper Wohnraum und steigende Mieten griffen inzwischen tief in das Leben der Menschen ein, sagte Neher. "Immer mehr Menschen erfahren, dass sie nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt sind. Oder sie müssen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Miete und Wohnkosten ausgeben."
Das Problem betreffe aber nicht nur Menschen mit geringem Einkommen sondern habe längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Auch Krankenschwestern, Polizisten oder Erzieherinnen spürten, dass bezahlbarer Wohnraum Mangelware sei. "Als Wohlfahrtsverband prüfen wir Möglichkeiten, wie es gelingen kann, den Wohnraummangel zu minimieren und machen Projekte bekannter, die im Sozialraum den Zusammenhalt fördern", so Neher.
Die Motive der neuen Caritas-Kampagne zeigen Familien, die auf dem Marktplatz campen und Rentner, die vor ihrem Wohnblock in der Badewanne sitzen mit dem Untertitel: In Deutschland fehlen eine Million Wohnungen. Caritas-Sprecherin Claudia Beck sagte, der Mangel treffe nicht allein die Metropolen, sondern inzwischen auch Städte wie Würzburg, Darmstadt oder Trier.
Peter Neher sieht als einen der Hauptgründe für den Wohnungsmangel den Rückgang sozial gebundener Wohnungen. Gab es 1987 nach Angaben der Caritas noch 3,9 Millionen Sozialwohnungen, waren es 2015 nur noch 1,3 Millionen. Der Caritas-Chef sieht auch die Kommunen in der Pflicht, für einkommensschwache Haushalte als Bauträger zu fungieren. Dafür sei es nötig, ökologisches und bezahlbares Bauen in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. "Wohnungspolitik ist immer auch Sozialpolitik", so Neher. Auch die neue Bundesregierung dürfe nicht tatenlos zusehen. Ab 2020 liegt die gesetzliche Verantwortung für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus allerdings nicht mehr beim Bund, sondern bei den Bundesländern.
Wohnraum als Menschenrecht
In der Umfrage sehen rund zwei Drittel der Interviewten (70 Prozent) die Mietpreisbremse als geeignete Maßnahme, um bezahlbares Wohnen sicherzustellen. Deutlich mehr Zustimmung findet die Förderung sozialen Wohnungsbaus (84 Prozent), preiswerter Wohnraum für benachteiligte Gruppen (80 Prozent) und die Förderung von Wohnungsgenossenschaften (80 Prozent). Für eine überwältigende Mehrheit von 93 Prozent zählt Wohnen in der Umfrage zu den Menschenrechten. (gho/dpa/KNA)