Gericht ohne Kreuz – eine kluge Entscheidung
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Die Predigt vom gekreuzigten Christus ist den "Juden ein Ärgernis (skandalon), den Griechen eine Torheit", schreibt Paulus an die Korinther (1 Kor 1,23). Auch in Bayern ist das Kreuz gerade zum Skandal geworden. Dass ein Richter in Miesbach das Kruzifix im Gerichtssaal bei einer Verhandlung gegen einen afghanischen Asylbewerber abhängen ließ, sorgt seit zwei Wochen für intensive Diskussionen, auch auf katholisch.de.
Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber hält die Entscheidung für ein "völlig falsches Signal". Er ist der Meinung: "Wer einem anderen mit dem Tod droht, weil dieser Christ geworden ist, sollte dem Kreuz ins Auge sehen können." Amtsgerichtsdirektor Klaus-Jürgen Schmid argumentiert genau umgekehrt: Gerade weil es in dem Prozess um religiös motivierte Gewalt ging, wollte er dem Angeklagten verdeutlichen, dass er nicht wegen seiner religiösen Ansichten, sondern wegen seiner Taten vor Gericht steht. Eine kluge, nachvollziehbare Begründung, die nichts mit falscher Toleranz, Nachgiebigkeit oder Aufgabe von Werten zu tun hat.
Richter Schmid verurteilte den Angeklagten zu der nach Jugendstrafrecht möglichen Höchststrafe. In unserer Gesellschaft steht das Recht über der Moral. Vor Gericht gelten die Regeln des Rechtsstaats, nicht die der Religion. Es geht um Recht und Gesetz und nicht um Sünde und Vergebung. Deshalb stellt sich generell die Frage, ob der Gerichtssaal (anders als das Klassenzimmer) ein angemessener Ort für ein Kruzifix ist.
Es gibt viele Bereiche, in denen Staat und Kirche aus guten Gründen kooperieren: in der Erziehung, in der Wohlfahrt, ja sogar in der Justiz. Gefangenenseelsorger können verurteilten Straftätern vermitteln, dass bei Gott Vergebung möglich ist, dass Gottes Sohn für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist. Das ist das eigentlich Skandalöse an der christlichen Botschaft vom Kreuz. Dass ein Richter ein Kruzifix von der Wand nimmt, taugt dagegen nicht zum Skandal.