Der Heilige Stuhl: chancenlos und überparteilich

Darum tritt der Vatikan nicht bei Olympia an

Veröffentlicht am 09.02.2018 um 14:30 Uhr – Lesedauer: 
Sport

Bonn ‐ Auch wenn man im Vatikan nicht gänzlich unsportlich ist: Auf bobfahrende Bischöfe bei Olympischen Spielen wird man auch weiterhin verzichten müssen. Und das nicht nur, weil sie wohl chancenlos wären.

  • Teilen:

Eine prominente Flagge fehlte, als heute die Sportlerteams aus 92 Nationen zur Eröffnung der olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang ins Stadion einzogen: die vatikanische. Die gekreuzten Schlüssel mit der Tiara auf weiß-gelbem Grund sucht man auch bei den 23. Olympischen Winterspielen vergeblich auf den Trikots von Skifahrern und Eisschnellläufern. Der Vatikan bleibt bei seiner traditionellen Linie und entsendet kein Team zu olympischen Spielen.

Aber warum schickt der Vatikan eigentlich keine Sportler? Unter sportbegeisterten Katholiken taucht diese Frage regelmäßig vor Olympischen Spielen – und anderen großen Sportveranstaltungen – auf. Völkerrechtlich wäre das zumindest möglich: Denn der Vatikanstaat ist ein Land wie jedes andere auch. Auch sportliche Mindeststandards fordert das Internationale Olympische Komitee nicht ein.

Apotheker und Gärtner statt Spitzensportler

Wenn man aber im Vatikan selbst nachfragt, heißt es, eine Teilnahme an den Olympischen Spielen widerspräche dem universalen Auftrag der Kirchenleitung und verletze das Gebot der Überparteilichkeit. Zudem habe man sich um Wichtigeres zu kümmern. Mit anderen Worten: Es wäre nicht gut fürs kirchliche Image und die Botschaft der Nächstenliebe, wenn ein Skifahrer im Vatikan-Trikot den Konkurrenten aus Deutschland, Kanada oder Russland davonsausen würde.

Auch wenn das eher unwahrscheinlich wäre: Denn woher sollte der Vatikan die Spitzensportler nehmen? Nicht einmal die vielzitierten skifahrenden Schweizergardisten dürfte eine Chance auf Edelmetall haben – geschweige denn ohne vorherige Einbürgerung starten. Die anderen Freizeitsportteams von Mitarbeitern der vatikanischen Apotheke, des Supermarkts oder der Gärtnerei hätten die gleichen Probleme. Denkbar wäre aber, dass sich Spitzensportler anderer Staaten bereit erklären unter vatikanischer Flagge anzutreten. So wie der erfolgreiche österreichische Skifahrer Marc Giradelli für Luxemburg fuhr. Doch einstweilen zeigt der Vatikan kein Interesse an solchen Gedankenspielen.

Eine Luftaufnahme von dem Haus Casina di Pio in den Vatikanischen Gärten
Bild: ©KNA

Die Vatikanischen Gärten waren als Austragungsort für das Bogenschießen bei den Sommerspielen 2024 im Gespräch. Doch die Stadt Rom zog ihre BEwerbung zurück.

Aber Rom und Olympia kommen sich in Südkorea immerhin ein Stück näher: Der Vatikan hat nicht nur eine Delegation zur Eröffnung der Spiele geschickt, wie bereits 2016 zu den Sommerspielen nach Rio de Janeiro. Als Gastgeschenk gab es Trikots der vatikanischen Laufmannschaft "Athletica Vaticana". Erstmals ist eine vatikanische Abordnung auch formal zur parallel stattfindenden Generalversammlung des Olympischen Komitees eingeladen, allerdings nur mit Beobachterstatus. Denn Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee ist der Vatikan nicht. Dennoch kooperieren der Vatikan und das Komitee schon seit einiger Zeit bei der Vorbereitung der Jugendspiele im Oktober in Buenos Aires.

Einen Vorgeschmack auf ein vatikanisches Team bei Olympischen Spielen gab es zumindest im Kino bereits. In der Komödie "Hundert Meter vom Paradies" erzählte der italienische Regisseur Raffaele Verzillo nämlich genau diese Geschichte für die Sommerolympiade 2012. Das Team: ein Schweizergardist als Hochspringer, eine brasilianische Nonne als Kugelstoßerin und ein Priester als Bogenschütze. Aus dem Vatikan erhielt der Film ein dickes Lob: Er zeige, dass man auch ohne Vorurteile und verleumderische Absichten einen unterhaltsamen Film über den Vatikan drehen könne, schrieb der "Osservatore Romano" damals. Doch zu einem grundsätzlichen Umdenken führte die cineastische Vision nicht.

Doch kein Bogenschießen in den Vatikanischen Gärten

Immerhin: Als Austragungsort war der Vatikan schon einmal im Gespräch. Das Nationale Olympische Komitee Italiens hatte 2014 im Rahmen einer möglichen Bewerbung Roms für die Sommerspiele 2024 die Vatikanischen Gärten als Wettkampfort für das Bogenschießen vorgeschlagen. Der portugiesische Kurienkardinal Jose Saraiva Martins fand, dass sei eine "sehr gute Idee", der auch der Papst möglicherweise zustimmen könnte. Doch auch daraus wurde nichts: Rom zog seine Olympia-Bewerbung zwei Jahre später zurück.

Papst Franziskus weiß allerdings auch ohne vatikanische Mannschaft, für welches Team sein Herz schlägt: 2016 drückte er der olympischen Flüchtlingsmannschaft die Daumen, die in Rio de Janeiro erstmals antrat.

Einen Olympia-Sieger hat der Vatikan letztlich aber doch noch in seinen Reihen. Irgendwie. "Vom Vatikan nach St. Louis auf dem Weg zum olympischen Gold" betitelte die vatikanische Tageszeitung "Osservatore Romano" die Geschichte von Louis Handley, der bei den Olympischen Spielen in St. Louis mit der 4 mal 50 Meter Freistil-Schwimmstaffel und mit der Wasserball-Mannschaft die Goldmedaille gewann. Handley wurde 1874 unter dem Namen Luigi de Breda als Sohn eines vatikanischen Angestellten geboren. Sein Vater Francis Montague Handley war ein amerikanischer Bildhauer, der den Päpsten Pius X. und Leo XIII. diente. Bis der Vatikan eine eigene Mannschaft zu Olympischen Spielen schickt dürften mindestens noch weiter 114 Jahre vergehen.

Von Thomas Jansen