Aus Protest: Kirchen schließen Grabeskirche
Aus Protest gegen die israelische Politik gegenüber den Kirchen haben örtliche Kirchenführer die Grabeskirche in Jerusalem bis auf weiteres geschlossen. Die "systematische und offensive Kampagne" gegen Kirchen und Christen habe mit der Ankündigung der Verantwortlichen in Jerusalem, Kircheneigentum wegen angeblicher Steuerschulden zu beschlagnahmen, "ein ungekanntes Ausmaß" erreicht, heißt es in einer am Sonntag vom griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. öffentlich verlesenen Erklärung. Zu den Unterzeichnern gehören neben Theophilos auch Franziskanerkustos Francesco Patton sowie der armenische Patriarch Nourhan Manougian.
Die Forderung nach einer Steuerpflicht widerspreche der historischen Stellung der Kirchen in Jerusalem, so die Kirchenführer. Die Maßnahmen der Stadt "brechen bestehende Abkommen und internationale Verpflichtungen, die die Rechte und Privilegien der Kirchen garantieren".
Abstimmung über geplantes Gesetz verschoben
Das Vorgehen Israels gegen die Kirchen gipfele in dem geplanten Gesetz der Parlamentsabgeordneten Rachel Azaria. Es sieht vor, dem Staat die Enteignung von an Privatinvestoren verkauftem Kirchenland zu ermöglichen. "Dies erinnert uns alle an Gesetze ähnlicher Natur, die gegen die Juden in den dunklen Zeiten in Europa erlassen wurden", so die drei Kirchenvertreter. Eine für Sonntag geplante Abstimmung über den Gesetzentwurf im zuständigen Ministerrat sei angesichts des Kirchenprotestes verschoben worden, schrieb die israelische Zeitung "Haaretz" am Sonntag. Der Entwurf muss auch noch im Parlament gebilligt werden, um in Kraft zu treten.
Die Abgeordnete Azaria von der in der politischen Mitte angesiedelten Partei Kulanu hatte das Gesetzesvorhaben initiiert. Sie betonte, es betreffe ausschließlich von der Kirche bereits an Privatleute verkauftes Land. Land, das weiterhin im Besitz der Kirche sei, werde niemals angetastet werden. Nach Azarias Darstellung will sie mit dem Gesetz Bewohner von Grundstücken schützen, das die Kirche viel zu billig an private Bauunternehmer verkauft habe.
Linktipp: Eine unverrückt verrückte Leiter
Die Grabeskirche in Jerusalem ist ein Symbol für die Spaltung der Christenheit. Das macht eine einfache Leiter deutlich, die an der Fassade steht. Denn niemand weiß, wie sie dort hin kam oder wem sie überhaupt gehört. Aber niemand darf sie verrücken. (Artikel von März 2016)Opfer des auf die "Schwächung der christlichen Präsenz" angelegten Vorgehens seien verarmte Familien, "die ohne Nahrung und Wohnung ausgehen, ebenso wie die Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen können". Das israelische Außenministerium wollte sich zunächst nicht zu den heftigen Vorwürfen der Kirchen äußern.
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat betonte in einer Stellungnahme, in der Stadt gelte das gleiche Gesetz für Christen, Muslime und Juden. Wie alle Kirchen, Synagogen und Moscheen gelte für die Grabeskirche weiterhin eine Befreiung von städtischen Gebühren. "In dieser Hinsicht gibt es absolut keine Veränderung", sagte Barkat. Kommerzielle Gebäude wie Hotels und Büros müssten diese Abgaben jedoch leisten, ganz gleich, wem sie gehörten. Kommerzielle Einrichtungen im Besitz der Kirche hätten Schulden in Höhe von 650 Millionen Schekel (gut 154 Millionen Euro) angehäuft, hieß es in der Mitteilung von Barkat.
Einer der wichtigsten Orte der Christenheit
Die Grabeskirche in der Jerusalemer Altstadt zählt zu den wichtigsten Orten der Christenheit und ist jedes Jahr Ziel Hunderttausender Besucher. Christen verehren dort den Ort der Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Jesu. Die Kirche ist heute gemeinsamer Besitz verschiedener Konfessionen. Die größten Teile entfallen auf griechisch-orthodoxe, westlich-katholische (lateinische) und armenisch-orthodoxe Christen. Die drei Kirchen teilen sich die Besitzrechte und sind für den Status quo sowie die Verwaltung der heiligen Stätten im Heiligen Land verantwortlich.
Laut der Stellungnahme handelt es sich bei der Schließung der Grabeskirche um einen Präzedenzfall. Vertreter der Franziskaner und des lateinischen Patriarchats bestätigten hingegen gegenüber der Katholischen Nachrichen-Agentur (KNA), dass es bereits 1990 während der ersten Intifada sowie 2000 während der zweiten Intifada ähnliche Schließungen der Kirche als Zeichen der Solidarität mit den Palästinensern gegeben habe. (stz/dpa/KNA)
25.02.2018, 12:30 Uhr: ergänzt um weitere Details
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