Im 13. Jahr des Pontifikats von Benedikt XVI.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Aus gegebenem Anlass will ich ein Gedankenexperiment wagen: Wie stünde es heute um die katholische Kirche, wenn Benedikt damals entschieden hätte, trotz schwindender Kräfte Papst zu bleiben? Wir wären jetzt im 13. Jahr seines Pontifikats. Eine Art Triumvirat, bestehend aus dem Präfekten der Glaubenskongregation (Müller!), Kardinalstaatssekretär (Becciu?) und Privatsekretär (Gänswein), würde faktisch die Amtsgeschäfte führen. Der greise Pontifex würde weiter zum Angelus, zu Generalaudienzen und Gottesdiensten erscheinen und mit feiner Stimme theologisch anspruchsvolle Texte verlesen.
Die Reform der Vatikan-Finanzen und die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs im Klerus hätten Becciu, Müller und Gänswein weiter vorangetrieben. Als Zeichen der Aussöhnung mit den Traditionalisten hätte der Papst am 7. Juli 2017 erstmals eine heilige Messe im alten Ritus im Petersdom gefeiert und damit Kontroversen ausgelöst. Ein seit Jahren angedachter erster offizieller Besuch von Bundeskanzlerin Merkel beim deutschen Papst im Vatikan wäre immer noch nicht zustande gekommen.
Mit der Enzyklika "Veritatis immutabilis" hätte Benedikt XVI. darauf reagiert, dass viele Staaten gleichgeschlechtliche Ehen einführen. Er hätte betont, dass solches Tun Gottes Schöpfungsplan widerspreche. In einigen Ländern hätten Bischöfe Politikern, die für die Homo-Ehe eintreten, die Kommunion verweigert. Das Projekt einer anderen Enzyklika zöge sich seit Jahren hin. In ihr wollte der Papst die Unvereinbarkeit von national-populistischem Denken und katholischer Soziallehre erläutern. Aus dem Vatikan wäre aber zu hören, dass vor allem die große Gruppe der Kardinäle aus Osteuropa gegen das Vorhaben eintrete.
Und in Deutschland? Als Bischofskonferenz-Vorsitzender würde Kardinal Marx nach häufigen Besuchen in Rom um Verständnis für den scharf kritisierten, konservativen Kurs des Papstes werben. Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland wäre höher, und vielleicht wäre Tebartz-van Elst noch Bischof von Limburg. Über wiederverheiratet Geschiedene würde man nicht diskutieren, und einen Segen für homosexuelle Paare würde niemand offen befürworten.
Dieses kleine Gedankenexperiment macht deutlich, wie sehr der Vatikan ohne den Papstrücktritt jetzt "aus der Zeit gefallen" wirken würde. Und wieviel Schwung und Veränderung, aber auch welche neuen Konfliktlinien Papst Franziskus in fünf Jahren in die Kirche gebracht hat.