Schwester Birgit Stollhoff über das Sonntagsevangelium

Heiliger Zorn oder Empörung der Anständigen?

Veröffentlicht am 03.03.2018 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
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Bonn ‐ In diesem Evangelium explodiert Jesus: Mit einer Geißel treibt er die Verkäufer aus dem Tempel und schüttet das Geld der Wechsler aus. Was könnte heute mit diesem "Heiligen Zorn" Jesu gemeint sein?

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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff

"Wenn dich irgendjemand je fragt: 'Was würde Jesus tun', erinnere ihn daran, dass Tische umwerfen und Leute mit einer Peitsche jagen im Bereich des Möglichen liegt," lautet eine bekannte Spruchtafel, die immer wieder im Internet kursiert. Heiliger Zorn, so scheint es, kann als Nachfolge gerechtfertigt sein.

Wie sieht er heute aus, der "Heilige Zorn"? In unseren Zeiten maßen ihn sich zumindest viele Menschen an: die Empörung über Fake-News, der Populismus, aber auch das unwürdige Beschimpfen politischer Gegner. Ob Jesus das gemeint hat? Mir hilft zum Verständnis und zur Abgrenzung eine andere Bibelstelle: die der Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll. Da schützt Jesus eine Sünderin vor ihren im "gerechten Zorn" entbrannten Henkern.

"Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen. Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen", fleht Berthold Brecht in der Ballade von der Kindsmörderin Maria Farrar. Jesus verurteilt die Sünde, nicht die Menschen, auch nicht die Sünder. Er sieht das Schicksal dahinter. Das, was hier, bei der Ehebrecherin und der Kindsmörderin, geschildert wurde, ist die scheinbar gerechte Empörung der vermeintlich Anständigen. Und die treibt uns vermutlich öfter, als wir uns eingestehen.

Was ist dann der heilige Zorn? Der heilige Zorn Jesu war nicht ein Angriff auf den Tempel als solcher, er war ein Angriff darauf, wie dieser Tempel verwaltet wird, auf die Funktion des Tempelkultes. Also eine Kritik an Institutionen, die sich in ihr Gegenteil pervertiert haben: Heute könnte man Gerichte, die foltern lassen oder die Demokratie, die mundtot macht, aufzählen. Jesus war auch klar: Der Heilige Zorn endet damit, dass man für die eigene Meinung selbst Opfer wird. Der Heilige Zorn endet nicht in Macht, sondern in der Ohnmacht am Kreuz. Den Mut muss man erstmal haben, bevor man damit beginnt, Tische umzuwerfen!

Heiliger Zorn klingt heute vielleicht so: "Daher muss jeder einzelne seiner Verantwortung als Mitglied der christlichen und abendländischen Kultur bewusst in dieser letzten Stunde sich wehren, soviel er kann, arbeiten wider die Geißel der Menschheit, wider den Faschismus und jedes ihm ähnliche System des absoluten Staates." Das ist ein Zitat aus dem ersten Flugblatt der Mitglieder der Weißen Rose, verteilt im Sommer 1942 an der Universität München. Für diese Kritik und die fünf weiteren Flugblätter wurden Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst vor 75 Jahren hingerichtet: Junge Menschen, deren Ideale mächtiger, heiliger und zorniger waren als ein ganzes Regime.

Von Sr. Birgit Stollhoff CJ

Evangelium nach Johannes (Joh 2, 13-25)

Das Paschafest der Juden war nahe, und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus, und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!

Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. Da stellten ihn die Juden zur Rede: Welches Zeichen lässt du uns sehen als Beweis, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes.

Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, als sie die Zeichen sahen, die er tat.

Jesus aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen ist.

Die Autorin

Sr. Birgit Stollhoff CJ gehört dem Orden Congregatio Jesu (auch bekannt als Mary-Ward-Schwestern) an, arbeitet beim Sankt Michaelsbund in München, studiert Theologie im Fernstudium an der Universität Luzern und ist mitverantwortlich für die Öffentlichkeits- und Medienarbeit ihres Ordens.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.