Was das Alte Testament zum Leben nach dem Tod sagt

Auferstehung oder Unterwelt?

Veröffentlicht am 26.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Theologie

Bonn ‐ Abraham und Mose kannten kein Leben nach dem Tod. Die Vorstellung einer Auferstehung ist weiten Teilen des Alten Testaments noch fremd oder zweifelhaft. Erst in den späten Büchern ändert sich das.

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Der Glaube an die Auferstehung vom Tod als Beginn eines neuen, ewigen Lebens gehört grundlegend zum Christentum. Er wird an Ostern gefeiert und im Glaubensbekenntnis bejaht: „Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.“ Doch dieser Glaube ist im Alten Testament, der Bibel Jesu, keine Selbstverständlichkeit. Der Tod ist in den Worten der Psalmen das sinnlose Ende der Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Gott: „Was nützt Dir mein Blut, wenn ich zum Grab hinuntersteige? Kann Staub dich preisen, deine Treue verkünden?“ (Psalm 30,10).

In der altorientalischen Welt sowie in weiten Teilen des Alten Testaments wartete auf die Toten nach dem diesseitigen Leben eine schattenhafte Existenz in der Unterwelt (Hebräisch: שאול, sheol). Dieser Ort wird als Land des Staubes, der Finsternis und des Vergessen beschrieben, der den Menschen von seinem Gott trennt. Immer wieder wird in den Psalmen darauf hingewiesen, dass die Toten Gott nicht loben. Im Angesicht des Todes ruft der Beter in Psalm 88 den Gott des Lebens um Rettung an und verweist darauf, dass sein Tod ein Verlust für Gott selbst ist: „Wirst Du an den Toten Wunder tun, werden Schatten auferstehen, um dir zu danken? Erzählt man im Grab von deiner Huld, von deiner Treue im Totenreich?“ (Psalm 88,10-11). Das radikalste Nein als Antwort auf die im Psalm 88 gestellten rhetorischen Fragen bietet das Buch Kohelet: Nur der Mensch, der weiß, dass er sterben und tot sein wird, weiß sein Leben als Geschenk Gottes wertzuschätzen: „Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu! Denn es gibt weder Tun noch Rechnen noch Können noch Wissen in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist.“ (Kohelet 9,10).

 Erst die Verfolgung führt zum Nachdenken über eine Auferstehung

Die rhetorischen Fragen in Psalm 88 finden aber im Alten Testament, vor allem in den späten Schriften auch eine bejahende Antwort: „Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigen Abscheu.“ (Daniel 12,2). Hinter dieser Aussage steht im Buch Daniel die Frage nach einer abschließenden Gerechtigkeit nach dem Tod. Welchen Lohn erhalten die Märtyrer der Religionsverfolgungen in der Zeit der hellenistischen Herrschaft (2. Jahrhundert vor Chr.)? Die Makkabäerbücher erzählen zur selben Zeit die Geschichte von sieben Brüdern und ihrer Mutter, die gezwungen werden sollten, Schweinfleisch zu essen. Sie verweigern es aufgrund des im alttestamentlichen Gesetz ausgesprochenen Verbotes. Daher werden sie gefoltert und ermordet. Sie sterben freiwillig den Märtyrertod im Glauben an die Auferstehung: „der König der Welt wird uns zu einem neuen Leben auferstehen lassen, weil wir für seine Gesetze gestorben sind“, sagt einer der Brüder kurz vor seinem Tod (2 Makkabäer 7,9).

Bild: ©picture-alliance/John Hios

Der Prophet Jesaja auf einer griechischen Ikone.

Aus dem Glauben daran, dass auf jedes Tun Strafe oder Lohn folge, entstand die Vorstellung, dass es nach dem Tod ein Gericht Gottes gibt. Gott wurde nicht mehr nur als Herrscher über Leben und Tod im Diesseits, sondern auch im Jenseits gedacht. Bereits in den Psalmen findet sich die Hoffnung darauf, dass Gott stärker ist als das scheinbar unvermeidliche tödliche Schicksal des Menschen: „Denn du [= Gott] überlässt mein Leben nicht der Totenwelt; du lässt deinen Frommen die Grube nicht schauen.“ (Psalm 16,10). Der Beter hofft auf eine ewige Gemeinschaft mit Gott im Diesseits. In einem anderen Psalm ist sich der Beter sogar sicher, dass seine Gottesbeziehung ihn nicht nur vor dem Tod bewahren wird, sondern dass Gott ihn wie Henoch und den Propheten Elia zu sich in den Himmel aufnehmen und er nicht sterben wird (Psalm 73,24).

Keine einheitliche Deutung des Todes

Im Alten Testament lassen sich verschiedene Antworten auf die Frage finden, welche Bedeutung der Tod hat. Der Glaube an die Auferstehung ist nur eine mögliche Antwort, die sich zudem erst spät in den Schriften niederschlug. Gemäß der Apostelgeschichte war es im Judentum selbst zur Zeit Jesu noch umstritten, ob es ein Leben bei Gott nach dem Tod gibt: „Die Sadduzäer behaupteten nämlich, es gebe weder Auferstehung noch Engel noch Geist; die Pharisäer dagegen bekennen sich zu alldem.“ (Apostelgeschichte 23,8) – und beide Positionen konnten sich auf das Alte Testament berufen, in dem beide Positionen nicht nur in verschiedenen Schriften nebeneinander zu finden sind.

Selbst in einer der Schriften, im Prophetenbuch Jesaja, wird die Auferstehung sowohl indirekt verneint als auch  bejaht. In ihm dankt König Hiskija mit einem Lied Gott für die Heilung seiner tödlichen Krankheit, die ihn der lebensspenden Macht Gottes entzogen hätte: „Ja, die Unterwelt dankt dir nicht, der Tod lobt dich nicht. Die in die Grube hinabgestiegen sind, hoffen nicht mehr auf deine Treue.“ (Jesaja 38,18). Für die Toten gibt es keine Hoffnung mehr bei Gott. Derselbe Gedankengang findet sich auch an einer weiteren Stelle: „Tote werden nicht lebendig, Schatten stehen nicht auf; denn du [Gott] hast sie heimgesucht und vernichtet, jede Erinnerung an sie hast du vertilgt.“ (Jesaja 26,14).

Gott als Herrscher über die Lebenden und die Toten

Allerdings ist hier nun ein entscheidender Unterschied eingeführt. Wer von Gott getötet wird, kehrt nicht zum Leben zurück, sondern ist endgültig tot. Aber Gott wird nun sowohl als Herrscher über die Lebenden als auch über die Toten gedacht. Denn er kann sein Volk aus dem Tod auch wieder in das Leben führen: „Deine [= Gottes] Toten werden leben, [..] und die Erde gebiert die Schatten.“ (Jesaja 26,19). Die Toten, die als Schatten in der Unterwelt ihr Dasein fristen, können, wenn Sie zu Gott gehören, doch auferstehen. Im Buch Jesaja entsteht die Vision, dass der Tod den Menschen nicht mehr aus seinem Leben reißen wird. Am Anfang des Buches „hat die Unterwelt ihren Rachen weitaufgerissen“ (Jesaja 5,14) und verschlingt noch alles Leben. Aber im Buch entsteht die Vision, dass Gott „den Tod für immer verschlungen“ hat (Jesaja 25,8). Er wird als lebensbedrohende und Leben infragestellende Macht entmachtet sein. Es ist diese Vision, die Paulus im Tod und der Auferstehung Jesu verwirklicht sieht (1 Korinther 15,54-57).

Von Till Magnus Steiner

Der Autor:

Till Magnus Steiner ist katholischer Theologe. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Exegese des Alten Testaments. Er lebt und arbeitet in Jerusalem.