Wie sich jemand, der nicht an Gott glaubt, auf der Jugend-Vorsynode fühlt

Ein Atheist beim Papst

Veröffentlicht am 24.03.2018 um 17:00 Uhr – Lesedauer: 
Jugend

Bonn ‐ Sandro Bucher ist bekennender Atheist und wurde vom Vatikan zur Jugend-Vorsynode in Rom eingeladen. Der 25-jährige, der vor neun Jahren aus der Kirche austrat, fühlte sich erst fehl am Platze. Doch das änderte sich schnell.

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Zur Jugend-Vorsynode, die heute in Rom zuende ging, waren nicht nur katholische Jugendliche eingeladen. Auch Vertreter anderer Religionen und Atheisten konnten mitdiskutieren. Einer von ihnen war Sandro Bucher, der mit 16 Jahren aus der Kirche austrat. Im katholisch.de-Interview erzählt der Schweizer, wie er sich dabei fühlte.

Frage: Herr Bucher, Sie waren unsicher, ob Sie an der Vorsynode teilnehmen sollten?

Bucher: Nein, aber als ich im Collegio Maria Mater Ecclesiae in Rom ankam, dachte ich zuerst, ich wäre im falschen Film. Mönche und Priester irrten durch die Halle, eine Messe wurde im Nebenraum abgehalten und fromme Gesänge drangen in mein Ohr. Ich war unsicher, ob mich hier überhaupt einer hören wollte. Aber diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt: Ich wurde sehr freundlich empfangen. Bei den Diskussionen herrschte ein offenes Klima. Keiner hatte ein Problem mit mir, weil ich nicht an Gott glaube. Ich fühlte mich rasch akzeptiert. Ich wurde andauernd gebeten, meine Meinung zu den verschiedenen Themen zu sagen. Einige haben mir rückgemeldet, dass sie von meinen Wortbeiträgen sogar profitiert hätten.

Frage: Sind Sie getauft?

Bucher: Ja, ich bin getauft, ich habe auch an der Erstkommunion teilgenommen. Aber als ich 16 Jahre alt wurde, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein Vater ist katholisch, meine Mutter ist evangelisch-reformiert. In meiner Kindheit habe ich den katholischen Glauben nie hinterfragt. Als ich es aber in der Jugend tat, habe ich gemerkt, dass der Atheismus der richtige Weg für mich ist. Heute würde ich mich als Humanist bezeichnen. Ich glaube, dass ethische Werte und Menschenrechte dazu da sind, um die Welt besser zu machen.

Frage: Was haben Ihre Eltern dazu gesagt, als Sie aus der Kirche ausgetreten sind?

Bucher: Für meinen Vater war das in Ordnung, meine Mutter war enttäuscht, dass ich nicht mehr an Gott glaube. Mit der Tatsache, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin, können aber beide gut leben.

Frage: Können Sie gut damit leben?

Bucher: Ja, sehr gut sogar. Ich bin nicht gläubig, dafür habe ich eine große Begeisterung für Religionsgeschichte, für die christliche Theologie und den Vatikan. Deshalb habe ich mich riesig gefreut, dass der Vatikan auch kritische Stimmen von Kirchenfernen wie mir bei der Vorsynode zugelassen hat.

Frage: Warum sind Sie aus der Kirche aufgetreten?

Bucher: Mich hat an der Kirche gestört, dass Skandale und Korruption vertuscht werden, der intransparente Umgang mit Kindesmissbrauch und auch heiße Eisen wie der Zölibat oder der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und die Nichtzulassung von Frauen zur Weihe. Außerdem wollte ich nicht mehr Teil einer Institution sein, die Homosexuelle benachteiligt. Das passt einfach nicht ins 21. Jahrhundert. Und natürlich, weil ich nicht an Gott glaube.

Frage: Warum ist Ihnen das Thema Homosexualität so wichtig?

Bucher: Ich selbst bin nicht homosexuell, aber ich finde es unmöglich, wenn zwei Menschen, die das gleiche Geschlecht haben, nicht kirchlich heiraten dürfen. Jugendliche aus Afrika haben bei der Vorsynode erzählt, dass in ihrer Heimat Homosexualität als Krankheit behandelt wird. Das hat mir gezeigt, dass die katholische Kirche in gewissen Teilen unserer Welt immer noch sehr rückständig ist.  

Bild: ©Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani/KNA

Jugendliche schauen auf ihre Handys während der Eröffnung des Vorbereitungstreffens zum Jugendtreffen zur Bischofssynode mit Papst Franziskus am 19. März 2018 im Vatikan.

Frage: Was fanden Sie gut bei der Vorsynode?

Bucher: Ich finde es positiv, dass die Kirche gemerkt hat, dass es einen Handlungsbedarf gibt, um junge Menschen besser in die Kirche zu integrieren. Ich war sehr überrascht darüber, mit welcher Offenheit auch die jungen Menschen an die verschiedenen Themen rangegangen sind. Das fand ich wirklich inspirierend. Es gab ein echtes Interesse am Dialog. Jeder der Teilnehmer hatte die Chance, gehört zu werden und auch seine kritischen Fragen einzubringen. Ich glaube, dass die junge Generation die Kirche in eine gute Zukunft führen kann.

Frage: Welche Kritikpunkte haben die Jugendlichen vorgebracht?

Bucher: Viele haben gesagt, dass die katholische Kirche nach außen hin zu schwammig geworden ist. Einige können sich mit den Glaubensinhalten gar nicht mehr identifizieren.

Frage: Welches Thema haben Sie eingebracht?

Bucher: Eigene Themen konnte man nicht so viel einbringen, denn die 15 Fragen, die wir diskutieren durften, waren vordefiniert. Doch auf einige Fragen konnte ich nicht antworten, weil sie lediglich die katholischen Menschen tangiert haben. Zum Beispiel wurde abgefragt, wie man sich den Gottesdienst der Zukunft vorstellt.

Frage: Haben Sie darauf eine Antwort?

Bucher: Nein. Ich war bislang nur auf Beerdigungen und bei Hochzeiten in der Kirche, sonst nie. Diese Glaubensauslebung tangiert mich also nur passiv. Mir geht es vor allem darum, wie die Kirche mit Menschen umgeht, zum Beispiel mit Geflüchteten. Ich will friedlich leben und die Menschen unterstützen, denen es schlecht geht.

Frage: Was haben Sie getan, als die anderen Jugendlichen in Rom gebetet haben?

Bucher: Wenn die anderen gebetet haben, bin ich still da gesessen und haben zugehört. Ich finde, diesen Respekt vor der Religion des anderen braucht es. Gut fand ich, dass mich keiner missionieren wollte. Ich kann auch ohne Religion glücklich sein. Es ist aber schön zu sehen, wie viele Jugendliche aus ihrem Glauben Kraft schöpfen.

Frage: Haben Sie den Papst persönlich getroffen?

Bucher: Zu Beginn der Synode haben wir den Papst getroffen und am Sonntag bei der Übergabe des Dokumentes werden wir ihn noch einmal sehen.

Frage: Wie finden Sie den Papst?

Bucher: Für mich ist er eine historisch bedeutsame Figur ist und er hat mich beeindruckt, weil er den Dialog sucht und fördert. Papst Franziskus hat auch mich inspiriert, weil er gesagt hat, dass die Jugend mehr riskieren müsste. Ich denke, er meint damit, dass wir jungen Menschen uns den wirklich wichtigen Fragen des Lebens stellen müssten und unser Leben hinterfragen sollten. Wir dürfen nicht in Lethargie verfallen, sondern müssen versuchen, gemeinsam etwas zu erreichen. Aber wenn er von der Nulltoleranz bei Kindesmissbrauch spricht, wünsche ich mir auch, dass er das auch umsetzt. Ich finde, er könnte den Dialog zwischen den Religionen noch mehr fördern und auch mit provokanteren Fragen den Dialog innerkirchlich einheizen.

Frage: Verraten Sie uns etwas aus dem Abschlussdokument, das am Sonntag übergeben wird?

Bucher: Nein, aber es werden die Antworten auf die gestellten 15 Fragen des Papstes an uns sein. Ich finde, es ist wichtig, in diesem Dokument auch zwischen den Zeilen zu lesen. Vieles muss man hinterfragen, neu überdenken, nur so kann die Kirche weiter wachsen. Jugendliche wünschen sich mehr Transparenz in der Kirche und eine klare Identität, woran man sich festhalten kann. Aber um alle Wünsche der jungen Menschen an die Kirche aufschreiben zu können, hätten wir wohl noch 80 Jahre an diesem Dokument schreiben können, bis alle restlos zufrieden sind.

Frage: Beten Sie dafür, dass vieles davon umgesetzt wird, was in dem Dokument jetzt schon aufgeschrieben ist?

Bucher: Nein, keine gefalteten Hände. Ich würde sagen: Ich hoffe, dass sich etwas in der Kirche zum Bessern hin verändert. Daran glauben kann ich aber nicht.

Von Madeleine Spendier