Wie chinesisch ist der Rosenkranz?
In der Päpstlichen Universität Gregoriana diskutieren Kirchen- und Religionsexperten aus Europa, den USA und China über die Bedeutung des Christentums in der chinesischen Gesellschaft. Über vieles wird gesprochen, ein Thema bleibt jedoch außen vor: die "Untergrundkirche". Niemand nimmt das Wort in den Mund, bis am Freitagmittag eine Zuhörerin Bischof Yang Xiaoting nach chinesischen Flüchtlingen fragt.
Yang, 2010 geweiht und offiziell von Peking wie auch vom Vatikan anerkannt, spricht zuvor über die katholische Kirche in China: Man betreibe Bibliotheken und Schulen, Kinder- und Altenheime, fördere Sozialprojekte und trage zum sozialen Fortschritt Chinas und zur "gesellschaftlichen Harmonie" bei. Nach seinem Vortrag meldet sich eine Frau, die sich in Rom für Flüchtlinge engagiert: Unter diesen gebe es immer wieder Chinesen, die sagten, sie würden politisch verfolgt, da sie nicht zu registrierten, vorwiegend protestantischen "Hauskirchen" gehörten.
Ein chinesischer Bischof, der fast wie ein staatlicher Funktionär redet
Der Bischof wiegelt ab, klingt nun eher wie ein staatlicher Funktionär: "Wir haben von diesen sogenannten Flüchtlingen gehört. Aber warum waren sie in China ganz normale Bürger und wurden zu Flüchtlingen, sobald sie sich außerhalb Chinas befanden?" Er selbst habe einige Zeit in den USA verbracht. "Ich hätte dort auch behaupten können, ich würde verfolgt, und hätte sofort eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Aber das wollte ich nicht, weil ich mein Land und die Kirche liebe", so der Bischof.
Offiziell können Religionsgemeinschaften in China nur durch staatlich kontrollierte "Patriotische Vereinigungen" agieren. Doch neben der regimenahen "Katholisch-Patriotischen Vereinigung" existiert eine Untergrundkirche, die Wert darauf legt, in Gemeinschaft mit Rom und dem Papst zu stehen. Die Bischöfe der "Patriotischen Vereinigung" wurden lange ohne päpstliches Mandat geweiht und galten aus Sicht des Vatikan als illegitim. Gleichzeitig gab es Bischöfe im Untergrund, die ohne Zustimmung der Behörden - aus chinesischer Sicht illegal - geweiht wurden.
Unter Papst Benedikt XVI. (2005-2013) wurden zahlreiche Bischöfe von beiden Seiten anerkannt. Heute sind noch sieben Bischöfe der "Patriotischen Vereinigung" ohne päpstliche Anerkennung, gleichzeitig gibt es mehr als 30 Bischöfe im Untergrund. Seit 2014 verhandeln beide Seiten vor allem über die Frage der Bischofsernennungen.
Immer wieder fällt an der Gregoriana der Begriff "Sinisierung". Gemeint ist die Forderung des Staates an die Religionsgemeinschaften, "chinesisch zu werden". So etwa von Staatschef Xi Jinping beim Nationalkongress der Kommunistischen Partei im Oktober 2017: Religionsgemeinschaften müssten "chinesisch in ihrer Orientierung" sein und sich "an die sozialistische Gesellschaft anpassen".
Vatikan: Mission muss "vollkommen katholisch und genuin chinesisch sein"
Zur Eröffnung der Tagung am Donnerstagmorgen signalisierte der vatikanische Außenminister Erzbischof Paul Gallagher ein Zugehen auf Chinas kommunistische Regierung - trotz Zeiten, "in denen die Gemeinschaft der Gläubigen großes Leid erfuhr". Er plädierte dafür, die staatlich geforderte "Sinisierung" mit dem kirchlichen Prinzip der "Inkulturation" in Verbindung zu bringen. Kirchliche Mission in China müsse heute "vollkommen katholisch und genuin chinesisch" sein, so Gallagher.
Aber was bedeutet Sinisierung konkret? Die offiziellen Direktiven seien "vage", meint der Jesuit und Sinologe Benoit Vermander aus Shanghai. Wer wolle etwa einem chinesischen Christen sagen, dass es westlich sei, den Rosenkranz zu beten? Er habe ihn vielleicht von seiner Großmutter gelernt. Auch "Stille Nacht" zu singen, sei heute genauso chinesisch, wie es für Franzosen französisch oder für Italiener italienisch sei.
Der Pekinger Historiker Peng Xiaoyu ergänzt, das Christentum möge etwas Westliches sein, die antichristliche Religionskritik stamme jedoch auch aus dem Westen. Vielleicht gehe es weniger um die Vereinbarkeit von Christentum und chinesischer Kultur, sondern vielmehr um die von Christentum und Moderne. "Möglicherweise lehnen viele Chinesen das Christentum gerade deshalb ab, weil sie verwestlicht sind", so der Historiker.
Eine mögliche Einigung des Vatikan mit dem chinesischen Regime wird derzeit kontrovers diskutiert. Während der frühere Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, zuletzt vor einem "Ausverkauf" und einer "schamlosen Kapitulation" des Vatikan warnte, zeigte sich sein Nachfolger, Kardinal John Tong Hon, der inzwischen ebenfalls emeritiert ist, am Rande der Tagung optimistisch. Die Lage der Christen in China habe sich verbessert.