Warum es keine "Kirche ohne Priester" geben wird
Am Sonntag ist der Weltgebetstag für geistliche Berufungen. Michael Maas, Direktor des Zentrums für Berufungspastoral in Freiburg, erklärt im katholisch.de-Interview, was man außer Beten noch tun kann, um Berufungen zu fördern.
Frage: Im vergangenen Jahr wurden in den deutschen Bistümern nur 76 Männer zu Priestern geweiht. Steuern wir auf eine Kirche ohne Priester zu?
Maas: Es kann natürlich immer bergauf und bergab gehen. Mit Karl Valentin könnte man sagen: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Fest steht aber, dass die Zahl der Priesteramtskandidaten momentan verglichen mit den letzten Jahrzehnten einen Tiefstand erreicht hat. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Zahl der Priesterweihen in den nächsten Jahren ansteigen wird.
Frage: Warum wollen immer weniger junge Männer Priester werden?
Maas: Den einen Grund gibt es dafür nicht. Es sind sehr viele Faktoren, die hierbei zusammenkommen. Aber der wesentliche und entscheidende Punkt ist meines Erachtens, dass in den vergangenen Jahrzehnten das Glaubensleben in unserem Land sehr stark zurückgegangen ist. Deswegen ist es auch irreführend, von einer "Kirche ohne Priester" zu sprechen. Letztlich fehlen auch die Gläubigen – vor allem die jungen. Im Zeitraum von 2010 bis 2016 ist die Zahl der Mitfeiernden am Sonntagsgottesdienst um 23 % zurückgegangen, die Zahl der Priester nur um 8 %.
Frage: Ist das nicht eine etwas fatalistische Haltung, zu sagen, weil es heute weniger Gläubige gibt, wollen auch immer weniger junge Männer Priester werden. Könnte und müsste man diesen Automatismus nicht durch gezielte Werbung außer Kraft setzen?
Maas: Man kann diesem Automatismus natürlich schon versuchen, zu entweichen. Allerdings kann ich nicht einfach sagen "Ich muss nur ein bisschen die Werbung verbessern und dann klappt es schon". Das wäre ein völlig funktionales Verständnis von Kirche. Das Entscheidende bei Berufungen ist ja die geistliche Dimension, dass ich auch bereit bin, auf den Ruf Gottes zu hören. Es heißt ja sehr bewusst "Weltgebetstag um geistliche Berufungen" und nicht "Weltwerbungstag", weil wir von Jesus Christus selbst den Auftrag zum Gebet erhalten haben. Einen geistlichen Beruf wird nur jemand ergreifen, der selbst auch geistlich lebt und im Glauben beheimatet ist. Also junge Leute, die ein aktives Gebetsleben haben, in der Gottesdienstgemeinde verankert sind und regelmäßig die Sakramente empfangen. Das gilt es zu fördern.
Frage: Könnte man nicht einfach damit werben, dass es keine vielseitigere, anspruchsvollere und erfüllendere Tätigkeit gibt, als die eines Priesters in der Gemeinde? Muss man immer gleich mit so schwerem Geschütz wie "Berufung" und "Stimme Gottes" kommen?
Maas: Nein. Man kann natürlich sagen, was auch das Schöne am Priesterberuf ist und es ist auch unser Anliegen, das darzustellen. Die Frage ist nur, was auch Gehör findet. Das, was nicht gut ist, erzielt viel leichter Aufmerksamkeit als das, was gut läuft. Das nimmt man oftmals als selbstverständlich an. Aber ich kann nur von mir selber her sagen: Der Priesterberuf ist ein wunderbarer Beruf, der wirklich auch Erfüllung schenken kann.
Frage: Könnte man nicht etwa zur besten Sendezeit einfach mal einen Werbespot für Priester im Fernsehen schalten?
Maas: In einem großen Fernsehsender haben wir bislang nicht geworben. Das wäre aus meiner Sicht angesichts der hohen Kosten auch schwer zu rechtfertigen. Mit unserer Social Media-Initiative "Valerie und der Priester" und dem Nachfolgeprojekt "Gott im Abseits" haben wir so etwas aber in anderem Rahmen gemacht. Dort geht es aber zudem nicht um Werbung im eigentlichen Sinne, es soll also nichts verkauft werden. Es geht vielmehr darum, zu zeigen, wie Menschen in der Kirche ihren Glauben ganz überzeugend leben. Das wirkt dann auch ansteckend, und wenn Sie so wollen, ist das dann auch Werbung. Damit das wirkt, muss es aber bei denen ankommen, die auch schon dafür Antennen haben. Und das sind Leute, die eben im Glauben beheimatet sind. Jemand, der überhaupt nicht glaubt, der wird sich auch nach einem Werbefilm nicht für den geistlichen Beruf interessieren.
Frage: Könnte man aber nicht argumentieren, so ein Fernsehwerbespot dient der Imagepflege, die der Priesterberuf dringend nötig hat…
Maas: Ja, und deswegen haben wir ja gerade versucht, ein authentisches Projekt zu machen mit "Valerie und der Priester". Ich glaube, dass es authentischer wirkt, als wenn ich irgendwas in einem Werbefilm erzähle.
Frage: Viele Beobachter halten es für möglich, dass Papst Franziskus "viri probati" zulassen könnte, zumindest für die Amazonas-Region, die 2019 im Mittelpunkt einer Bischofssynode im Vatikan steht. Würde die Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt die Situation in Deutschland verbessern?
Maas: Was 2019 kommen wird, können wir jetzt noch nicht sagen. Ich würde daher lieber auf die diesjährige Synode schauen, die der Papst für den Oktober zum Thema "Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung" einberufen hat. Das ist schon viel konkreter. Und da war es für mich sehr spannend zu sehen, dass sich die Jugendlichen auf dem Vorbereitungstreffen für die Synode vehement eine stärkere geistliche Begleitung durch erwachsene Christen gewünscht haben. Es ist unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen, ihre eigene Berufung zu finden, ob zum Priester, zum Ordensleben oder in der christlichen Ehe. Wichtig ist, keinesfalls der Versuchung zu erliegen, nur den Priesterberuf zu bewerben, weil wir dort gerade Bedarf haben. Wir treten nicht an die jungen Menschen heran, weil wir etwas von ihnen wollen, sondern weil Gott einen Weg mit ihnen geht. Nur in dieser Haltung können wir geistliche Berufungen fördern.