Tausche Lederweste gegen Habit
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Schwester Mariae Laetitia Klut (30) ist Zisterzienserin der Abtei St. Marienstern in der Nähe von Dresden. Sie fand schon im Alter von neun Jahren das Klosterleben faszinierend. Mit 24 trat sie ein. Kurz vor ihrer Ewigen Profess sind die Äbtissin und eine Mitschwester ausgetreten. Warum Schwester Laetitia geblieben ist, erklärt sie im Interview.
Frage: Schwester Laetitia, zwei Monate bevor Sie Ihre Ewigen Gelübde ablegen wollten, haben die Äbtissin und eine andere Schwester das Kloster verlassen. Wie war das für Sie?
Sr. Laetitia: Das war schmerzhaft für mich und die ganze Gemeinschaft. Genau vor einem Jahr, Ende April 2017, haben beide Schwestern beschlossen zu gehen. Damals stand ich kurz vor meiner Ewigen Profess. Ein viertel Jahr vorher ist auch unsere Novizin wieder gegangen. Das alles habe ich sehr bedauert. Vor allem deshalb, weil unsere damalige Äbtissin mich in meinen ersten Klosterjahren gut begleitet hat. Sie fehlt unserer Gemeinschaft und ich vermisse sie. Aber an meiner Entscheidung die Profess abzulegen, hat das nichts verändert. Im Gegenteil: Ich habe klar gespürt, dass das Ordensleben mein Weg ist und ich mit diesen Schwestern an diesem Ort als geistlicher Mensch leben will. Und das spüre ich Tag für Tag mit größerer Freude.
Frage: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitschwestern?
Sr. Laetitia: Ja, denn es gab keinen persönlichen Bruch. Sie sind alle sehr ehrlich mit ihrem Austritt umgegangen, das fand ich gut. Aber wenn das geistige Fundament für ein Leben im Kloster fehlt, dann muss man die Konsequenzen ziehen. Ich habe die damalige Äbtissin als eine sehr aufrichtige Person kennen gelernt. Von ihren Zweifeln hat sie mir erzählt. Als ich mich für das Klosterleben interessiert habe, hat sie mir viele Freiheiten gelassen. Auch die Schwestern waren sehr offen. Für einen kontemplativen Orden fand ich das sehr erstaunlich.
Frage: Wie meinen Sie das?
Sr. Laetitia: Während meines Theologiestudiums bin ich oft ins Kloster gefahren, um am Chorgebet der Schwestern teilzunehmen. Manchmal sogar nachts um drei Uhr, nur um bei der Vigil der Schwestern dabei zu sein. Ich durfte mit den Schwestern im Chorgestühl sitzen. Einmal kam ich mit dem Motorrad an und in voller Ledermontur in die Kirche. Eine Schwester hat mich trotzdem hartnäckig in den Chor gewunken und so stand ich da etwas deplaziert in meiner quietschenden Lederkombi betend zwischen den Nonnen. Bestimmt hat das nicht allen gepasst, aber ich fühlte mich trotzdem akzeptiert und willkommen. Diesen Vertrauensvorschuss fand ich stark.
Frage: Haben Sie das Motorrad noch?
Sr. Laetitia: Nein. Weil das Motorrad ohnehin nur geliehen war und ich es wegen verschiedener Mängel nicht mehr durch den TÜV bekommen hätte, wurde es verkauft. Das war völlig in Ordnung für mich. Auch gibt es im Kloster die Regel, das keiner etwas für sich alleine besitzt, denn wir leben in einer Gütergemeinschaft. Den Aufwand und die Kosten für mein Privatvergnügen Motorradfahren kann und will ich meinen Schwestern nicht aufbürden, das fände ich unfair. Außerdem brauche ich es ja nicht notwendig. Meine Lederkombi liegt momentan bei meiner Mutter, glaube ich.
Frage: Wie hat Ihre Familie auf Ihren Eintritt ins Kloster reagiert?
Sr. Laetitia: Meine Mutter hat meine Entscheidung von Anfang an mitgetragen. Meine Geschwister haben miteinander Wetten abgeschlossen. Sie haben sich gefragt, wie lange ich es wohl ohne Bier, ohne Männer und ohne Motorrad aushalten werde. Sie begleiten mich kritisch und haben mein Leben als Nonne akzeptiert.
Frage: Was hält Sie im Kloster?
Sr. Laetitia: Es sind das geistliche Leben, das tägliche Gebet und die Regel Benedikts, die mir von Tag zu Tag wichtiger werden. Das Leben in Gemeinschaft fordert mich täglich heraus, aber dadurch fördert es mich auch im Guten. Ich kann hier innerlich wachsen. Außerdem leben wir hier im Kloster nicht in einem abgeschlossenen Karton. Wir haben viel Spaß miteinander, trinken auch mal ein Gläschen Wein, wenn es etwas zu feiern gibt, oder wir erzählen uns Witze. Das stärkt unsere Lebensfreude.
Frage: Kracht es manchmal auch hinter den Klostermauern?
Sr. Laetitia: Wir sind zwölf Frauen, wie sollte es anders sein? Wir brüllen uns aber nicht an oder lassen die Türen knallen. Es gibt manchmal Spannungen im Alltag, das ist doch ganz normal. Es gibt auch Entscheidungen, die nicht alle gut finden. Und es gibt Unterschiede zwischen den Generationen. Meine älteste Mitschwester ist immerhin 92 Jahre alt.
Frage: Was meinen Sie mit Generationsunterschieden?
Sr. Laetitia: Früher durften die Schwestern kaum raus. Heutzutage darf ich zum Beispiel zur Priesterweihe eines Freundes gehen und zu seiner Primiz. Ich war auch beim 50. Geburtstag meiner Mutter dabei und werde zur Hochzeit meines Bruders fahren. Darauf freue ich mich schon sehr. Eine der älteren Mitschwestern, die schon über 60 Jahre im Kloster ist, hat mich dazu beglückwünscht und sich mit mir gefreut. Sie selbst durfte nicht mal zur Beerdigung ihrer Eltern gehen. Daher weiß ich, dass es bestimmt nicht für alle Schwestern leicht ist, das zu verstehen. Aber ich bin froh, dass sich unsere Gemeinschaft weiter verändert.
Frage: Muss sich nicht einiges im Kloster ändern, damit mehr Nonnen eintreten…
Sr. Laetitia: Das finde ich nicht, denn es geht nicht darum, dem Zeitgeist hinterherzurennen und unsere Regeln unterschiedlichen Launen anzupassen. Es geht darum, Formen zu finden, wie wir heute als Ordensleute authentisch nach dem Evangelium leben können. Junge Frauen werden nur dann eintreten, wenn sie merken: Hier im Kloster werde ich so akzeptiert wie ich bin und gleichzeitig kann ich mich durch bewährte Regeln im geistlichen Leben formen lassen und wachsen. Zur Gottsuche gehören die spirituellen Traditionen, genauso wie die heutige Lebenswelt und die Erfahrungen, die jede junge Schwester mitbringt. Unserer Gemeinschaft ist es wichtig, dass wir so miteinander leben, dass es für alle tragbar ist. Schließlich sind wir hier alle freiwillig. Mir war klar, was mich erwartet. Ich brauche auch als Akademiker keinen guten Job im Kloster, ich übernehme alle Aufgaben, die anstehen.
Frage: Auch das Fensterputzen?
Sr. Laetitia: Ja klar putze ich auch die Fenster! Das gehört zum Paket Kloster dazu. Aber hauptsächlich arbeite ich in unserem Klosterladen. Ich kann zwar nicht rechnen und Einzelhandel ist nicht gerade mein Fachgebiet, aber der Umgang mit Leuten macht mir Spaß. Daher passt das wieder super für mich. Ich wachse an den Aufgaben, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, und entdecke neue Seiten an mir, das bedeutet Glück für mich.
Frage: Jetzt beginnt die Biker-Saison, kribbelt es nicht in den Fingern?
Sr. Laetitia: Reizen täte mich eine Ausfahrt mit dem Motorrad schon. Aber mein Alltag ist so voll, da könnte ich das nur schwer unterbringen. Aber meine Kutte, also meine Lederweste, die ich als Biker getragen habe, habe ich mit ins Kloster genommen. Sie ist wie meine zweite Haut. Ich trage sie beim Sport oder wenn es kalt ist unter meinem Habit. Ich habe auch noch Kontakt zu den Männern meiner früheren Motorradszene. Wer weiß, vielleicht besuchen sie mich mal im Kloster. Das fänden vielleicht auch meine Mitschwestern lustig. Ein bisschen verrückt bleibe ich wohl immer.