Ersnst Dohlus zum Umgang der Kirche mit ihren Finanzen

Publizist: Bistümer sollen sich ARD zum Vorbild nehmen

Veröffentlicht am 07.05.2018 um 11:55 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Kirchenfinanzen

München ‐ Ein Ordensmann ist für ein Bistum günstiger als ein Weltpriester? Nach dieser Feststellung begann der Publizist Ernst Dohlus, sich intensiv mit Kirchenfinanzen zu beschäftigen. Nun hat er einige Vorschläge.

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Der frühere Münchner Rundfunkredakteur Ernst Dohlus (71) beschäftigt sich seit seinem Eintritt in den Ruhestand vor fünf Jahren mit deutschen Kirchenfinanzen. Er findet sie unübersichtlich und schwer vergleichbar. Im Interview schlägt er den katholischen Bistümern vor, sich nach dem Vorbild der ARD auf ein einheitliches Rechenwerk einigen.

Frage: Herr Dohlus, wie kamen Sie zu Ihrem Thema?

Dohlus: Ich war Rechnungsprüfer in einer kirchlichen Organisation. Da habe ich eines Tages gemerkt, dass es ein Bistum günstiger kommt, einen Ordensgeistlichen anstelle eines Weltpriesters zu beschäftigen. Da habe ich begonnen, mich eingehender mit den Finanzverhältnissen in der Kirche zu beschäftigen.

Frage: Was sind bei aller Vorläufigkeit Ihre wichtigsten Erkenntnisse?

Dohlus: Bis heute lässt sich für die katholische Kirche in Deutschland keine gemeinsame Aussage machen. Unabhängig davon, dass einige noch nicht die kaufmännische Buchführung nutzen, haben die 27 Bistümer ganz unterschiedliche Weisen, ihre Rechnungswerke zu erstellen. Das fängt schon bei den Einnahmen an. Die einen weisen das Brutto aus, andere geben das an, was von den Kirchensteuern am Schluss übrig bleibt, also nachdem das staatliche Finanzamt drei Prozent für den Einzug bekommen hat und nachdem das abgeführt wurde, was anderen Bistümern zusteht, weil es bei der Kirchensteuer auf den Wohnort des Katholiken und nicht auf den Sitz seiner Firma ankommt. Ganz ähnlich ist es bei den Ausgaben. Zwei Erzbistümer, die ähnlich viele Schulen haben, für die es etwa 80 Prozent staatlichen Zuschuss gibt, rechnen völlig unterschiedlich: Eines gibt nur an, 20 Millionen auszugeben, das andere gibt 88 Millionen aus und nimmt 67 Millionen ein. Das verzerrt jede Rechnung.

Frage: Wo sollte man Ihrer Meinung nach ansetzen?

Dohlus: Zentrale Rechengröße sollten die pro Katholik erzielten Kirchensteuereinnahmen sein. Da gibt es gewaltige Unterschiede. In Görlitz etwa sind es 166 Euro im Jahr, in München mehr als doppelt so viel. Dann müsste man einheitlich auf Netto- oder Bruttoprinzip umstellen und könnte dann erst richtig miteinander vergleichen. Wir hatten ein ähnliches Problem in der ARD, die wie die katholische Kirche in Deutschland auch eine Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Institutionen ist. Die Sender bilanzierten lange unterschiedlich, bevor sie sich auf einen gemeinsamen Kontenrahmen und Kontenplan geeinigt haben. Das sollten die Bistümer auch tun. Erst dann lässt sich wirklich sagen, wer arm und wer reich ist. Und dann kann man über einen Ausgleich reden.

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Frage: Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass die bisherigen Transfers in die falsche Richtung laufen?

Dohlus: 2016 haben die vier ostdeutschen Bistümer ohne Berlin aus dem sogenannten Strukturfonds 43,5 Millionen Euro erhalten. Der läuft aber 2020 aus. Die Frage ist nun: Soll man den fortsetzen, obwohl er dazu führt, dass die ostdeutschen Bistümer gemessen an der Katholikenzahl erheblich höhere Einnahmen haben als etwa die bayerischen Bistümer Passau und Bamberg. Dort komme ich auf einen Gesamtertrag pro Kopf von unter 300 Euro. In Magdeburg, Erfurt, Görlitz und Dresden-Meißen sind es nach dem Strukturausgleich aber 390 bis 500 Euro. Das dürfte aus Sicht ärmerer Bistümer, die es auch im Westen gibt, schwer erträglich sein. Auf der anderen Seite sind die Ostbistümer Diaspora, wo weniger als zehn Prozent der Bevölkerung Katholiken sind.

Frage: Was tun?

Dohlus: Man braucht ein klares und kompatibles Rechenwerk. Die Armen dürfen sich keine Extravaganzen leisten, die sich die Reichen sowieso versagen. Und drittens muss Vertrauen herrschen. Derzeit fehlt es an allem davon.

Frage: Was meinen Sie mit Extravaganzen?

Dohlus: Dahinter stecken keine bösen Absichten. Manches hat sich historisch ergeben. In Bayern gehen Lehrer katholischer Schulen auf die Straße, weil sie überwiegend Angestellte und keine Beamten sind. Dadurch bekommen sie vor allem im Ruhestand weniger Geld, aber ihre Altersbezüge sind durch laufende Zahlungen an eine Versorgungskasse gesichert. In Hamburg hat das Erzbistum eine Schulstiftung übernommen und musste auf einen Schlag 267 Millionen Euro Rückstellungen bilden, weil dort die Lehrer alle wie Beamte behandelt werden. Wieso soll nun die katholische Kirche in Bayern für Hamburger Lehrer höhere Pensionen finanzieren als für ihre eigenen? Auch diese Unwucht steckt hinter dem Schulstreit im Norden und der Frage nach der Solidarität unter den Bistümern. Dafür müsste man sich zuerst auf gleiche Standards verständigen, was man sich leisten will.

Frage: Wie werden Ihre Vorschläge in bischöflichen Finanzkammern aufgenommen?

Dohlus: Man redet nicht gerne darüber. Es ist so: Jeder glaubt, er macht es richtig und muss auf den anderen keine Rücksicht nehmen. In einigen Bistumsapparaten nehme ich positive Bewegung wahr, in anderen gar nicht.

Von Christoph Renzikowski (KNA)