Pfarrer und Kirchenkritiker im Alter von 84 Jahren verstorben

Roland Breitenbach: Ein Priester, der von Anfang an polarisierte

Veröffentlicht am 15.07.2020 um 10:50 Uhr – Lesedauer: 
Roland Breitenbach ist tot
Bild: © Ursula Lux

Schweinfurt ‐ Der Regens riet Roland Breitenbach einen Tag vor seiner Diakonenweihe ab. Und zur Pensionierung gab es keinen Dank vom Bischof. Dazwischen konnte der Priester aber viele erfolgreiche Seelsorge-Projekte für sich verbuchen. Nun ist er gestorben.

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Er war Pfarrer und Autor, Menschenfreund und Kirchenkritiker und ab und an hatte man den Eindruck, dass er nur Fans oder Feinde hat. Roland Breitenbach war der Stachel im Fleisch der Diözese Würzburg und gleichzeitig einer, der seinen Weg gegangen ist und vieles in dieser Kirche vom Kopf wieder zurück auf die Füße gestellt hat. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist der Geistliche im Alter von 84 Jahren verstorben.

Breitenbach kam am 7. August 1935 in Chemnitz zur Welt. Aufgewachsen ist er in Aschaffenburg, wo er Oberministrant war und Stadtjugendführer der katholischen Jugend. Nach dem Abitur wollte er eigentlich Journalist werden. Er hatte bei der Bildzeitung einen Wettbewerb gewonnen und war fünf Tage nach Hamburg eingeladen worden. "Da durfte ich das erste Mal was schreiben, 49 Zeilen, das weiß ich noch ganz genau, weil die auch bezahlt wurden". Dass aber über seine Artikel dann so "reißerische Überschriften" gemacht wurden, das hat ihm gar nicht gefallen. Sein Berufswunsch geriet ins Wanken.

Heimlich zur Beerdigung des Vaters ausgebüxt

Auf dem Heimweg machte er in Würzburg Station und besuchte einen Bekannten, der damals Regens im Priesterseminar war, Josef Stangl. Als er mit ihm über die geplatzten Berufspläne sprach, meinte der: "Ach, ich hab gedacht, du kommst zu uns." Und Breitenbach kam. Erst am nächsten Morgen hat er erfahren, dass Stangl zum neuen Bischof von Würzburg bestimmt worden war.

Im Priesterseminar lernte Breitenbach nach eigenen Worten vor allem "Menschen-un-freundlichkeit". Er durfte seinen an MS erkrankten Vater nicht besuchen. Und als dieser starb und drei Tage vor der Priesterweihe beerdigt wurde, hieß es, er könne da nicht hin, das störe die Vorbereitungen auf die Priesterweihe. Also fuhr Breitenbach eben heimlich zur Beerdigung seines Vaters. Dort erlebte er eine positive Überraschung: Auch seine 13 Kurskollegen waren heimlich angereist, um ihn zu unterstützen.

Priesterseminar Würzburg
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Roland Breitenbach trat ins Würzburger Priesterseiminar ein – und lernte dort nach eigenen Worten vor allem "Menschen-un-freundlichkeit".

Anscheinend war Breitenbach bereits vorher im Priesterseminar negativ aufgefallen. Einen Tag vor seiner Diakonenweihe legte ihm der Regens nahe, sich lieber nicht weihen zu lassen. Warum, sagte er allerdings nicht. Daraufhin meinte der Seminarist, er könne ja während des Gottesdienstes, wenn gefragt werde, ob jemand Einwände gegen die Weihe habe, seine Bedenken vorbringen. Es geschah nichts dergleichen.

Dem Bischof die Autoschlüssel gegeben

Auf seinen Bischof Stangl lässt er nichts kommen, der sei einfach menschlich und herzlich gewesen, erinnerte sich der Pfarrer. Einmal, er war wieder heimlich ausgebüxt, blieb er mit seinem Auto im Spessart hängen. Als er gerade die Zündkerzen reinigte, hielt neben ihm ein BMW mit Bischof und Regens im Innern. Der Regens verdonnerte ihn dazu, am kommenden Tag dem Bischof die Autoschlüssel zu bringen. Der lud ihn zum Frühstück ein und kassierte, wie vom Regens befohlen, die Schlüssel. Dabei meinte er verschmitzt zu Breitenbach: "Aber ich vermute, dass Sie noch einen Ersatzschlüssel haben."

Den Zölibat, erinnerte sich Breitenbach, habe er Bischof Stangl "in die Hand versprochen". Geschworen aber und einen Eid abgelegt, habe er nie, denn in der Bibel steht: "Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören … Eure Rede sei: ja - ja, nein - nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen" (Mt 5,36f). Und so wurde Breitenbach auch Pfarrer, ohne je einen Amtseid abzulegen.

Zunächst aber ging der Frischgeweihte als Kaplan nach Retzstadt, dann nach Bad Kissingen. "Dort führte ich als erstes den Bußgottesdienst ein", sagte Breitenbach. Und er erzählte von einer weiteren Neuerung, die er mehr als 20 Jahre später vorhatte: Einen Jazzgottesdienst wollte er feiern. Aber der wurde vom Ordinariat Würzburg verboten. Breitenbachs Glück: Bischof Franz Kamphaus war damals zur Kur in Bad Kissingen und bot ihm an: "Ich halte den Gottesdienst, dann können die nichts mehr dagegen haben. Das war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft, der Bischof sei "ein super Kerl" gewesen, betonte Breitenbach.

"Michaelswerkstatt" statt Pfarrgemeinderat

1968 kam er dann nach Schweinfurt, zunächst als Religionslehrer ans Olympia-Morata-Gymnasium und als Dozent für "Kirche und Moral" an die Fachhochschule. 1974 übernahm er die Stelle als Pfarrer der Pfarrei St. Michael, die er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahre 2010 innehatte. In dieser Zeit hat er das Bild von Kirche und Gemeinde gehörig auf den Kopf gestellt. "Ich habe meine Erfahrung, dass man seine Freiheit behaupten muss, weitergegeben."

Bild: ©KNA

Franz Kamphaus war von 1982 bis 2007 Bischof von Limburg. Er soll Roland Breitenbach ermöglicht haben, einen Jazzgottesdienst zu feiern.

Wichtig war ihm immer, dass jeder, der sich einbringen wollte, dies auch tun durfte. Es wurde manchmal heiß diskutiert, aber dann konnte jeder machen, was er für richtig hielt. Den gewählten Pfarrgemeinderat ersetzte er kurzerhand durch die "Michaelswerkstatt", die keinen Vorsitzenden, sondern nur einen Sprecher hat und bei der jeder mittun darf. Ihm selbst war es am wichtigsten, "die Nähe zu den Menschen zu bewahren und in Freud und Leid an deren Leben teilzuhaben". Das führte dazu, dass er allein rund 2.000 Paare getraut hat: im Heißluftballon, auf dem Schiff, auf 2.000 Meter Höhe im Gebirge. Um Erlaubnis beim Ordinariat hat er nach einem ersten Versuch nie mehr nachgefragt. "Und das habe ich denen auch so gesagt, nachdem sie gleich bei der ersten Anfrage nein gesagt haben."

Auch an "Ausschlüssen jeder Art" hat sich Breitenbach nie beteiligt. In seiner Gemeinde war jeder willkommen. Mit bis zu 6.000 Motorradfahrern feierte er alljährlich Gottesdienst, eine Praxis, die inzwischen viele Nachahmer gefunden hat. Seine Jugendgottesdienste zogen rund 1.500 nicht nur Jugendliche an. Für die von ihm getrauten Paare gab es alljährlich einen Ehe-TÜV und vieles mehr. Vor 20 Jahren gründete er den "Löwenzahn", ein familienfreundliches Restaurant, in dem Menschen mit Handicap eine Arbeit finden und Familie sich das Essen auch leisten können. Daraus wiederum entstand das "Brückenhaus", eine Wohnmöglichkeit für die dort arbeitenden jungen Leute.

Kein Dank bei der Pensionierung

Neben seiner Leidenschaft, dem Reisen – er war 25 Mal in Israel – hat er auch seine Lust am Schreiben nie verloren. Seine erste Buchveröffentlichung "Eine Zeit des Glücks" erschien 1984. Bis heute sind rund 60 Bücher von ihm erschienen, dazu kommen noch die zahlreichen Artikel in unterfränkischen Tageszeitungen und seine regelmäßige Kolumne in einem Anzeigenblatt. Sein wohl bekanntestes Werk ist "Der kleine Bischof", ein "kirchlicher Zukunftsroman", der unter kritischen Katholiken Kult wurde. Der Erlös aus dem Verkauf des Buches, auch das typisch Breitenbach, floss ungeschmälert in die Arbeitsloseninitiative "1,5 Prozent", in der eine Gruppe von Pfarrern mit 1,5 Prozent ihres Gehalts Arbeitslose unterstützten. Ein weiteres Werk ist eine "Autobiographie" Jesu, "Ich und der Vater sind eins", das an Pfingsten 2018 erschien.

Wenn Breitenbach zuletzt auf seine Kirche blickte, dann fand er: "Das prophetische Wort glaubt dir doch keiner." Er hat viel Kritik bis zum Hass einstecken müssen; bei seiner Pensionierung habe sich der dann amtierende Bischof Friedhelm Hofmann nicht einmal zu einem floskelhaften Dank für seine Arbeit durchringen können. Und immer wieder ist ihm prophezeit worden, dass seine Gemeinde und all seine Projekte mit ihm leben, aber auch mit ihm fallen werden, besonders nach seinem schweren Fahrradunfall am 4. Oktober 2014, bei dem er sich lebensgefährliche Verletzungen zugezogen hatte und mehrfach operiert werden musste. Das aber hat sich nicht bewahrheitet. Die Gemeinde ist so lebendig wie eh und je und auch die Initiativen, die er angestoßen hatte, gingen weiter. "Bevor die alles verurteilen, hätten sie doch einfach einmal schauen können, was dabei herausgekommen ist", meinte er. Und auch da weiß er die Bibel auf seiner Seite: "An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen" (Mt. 7,20).

Von Ursula Lux

Dieses Porträt erschien erstmals im Juni 2018 und wurde anlässlich des Todes von Roland Breitenbach aktualisiert.