Die Berufung der Brückenköpfe
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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff
Wie erkenne ich, wenn Gott Neues von mir fordert, eine besondere Berufung für mich hat? Und wie verhält sich das Neue, meine Berufung, zum Alten, zur Tradition?
Das Evangelium antwortet darauf heute mit zwei Vorbildern – Vater und Sohn, gleichsam zwei ganz unterschiedliche Brückenköpfe des einen Überganges vom Alten zum Neuen Testament. Beide markieren sie einen Neuanfang, beide halten aber auch die Verbindung zum Judentum als Ausgangbasis. Der Eine eher traditionell, der Andere provokant - beide bereiten Jesus den Weg.
Zacharias, der Vater: Ihm offenbart sich ihm Gott, im alltäglichen frommen Umfeld, beim "normalen Tempeldienst". Die Verheißung Gottes trifft hier keinen jungen dynamischen Frommen. Nein, ein alter Mann, vielleicht sogar ein konservativer, traditioneller Gläubiger und seine betagte Frau werden auserwählt. Aus der jüdischen Sicht bedeutet dieser unerwartete Sohn das Einreihen in die Generationenfolge. Gleichzeitig, so die Verheißung, wird mit diesem Sohn alles anders. Der Sohn wird alles Vertraute über den Haufen werfen. Seine Frau kann die Verheißung gleich annehmen und freut sich mit Maria, der Gottesmutter. Aber Zacharias verschlägt es erstmal die Sprache! Neun Monate später hat er Gott verstanden und gibt dem Sohn einen neuen Namen außerhalt der Tradition. "Man kann auch im Alter noch Neues erwarten.", kommentiert es meine 70-jährige Oberin. Im Alter ist man vielleicht aufmerksamer für das Neue im Alltäglichen, aber auch vorsichtiger und langsamer damit.
Ganz anders Zacharias Sohn Johannes: Der schert aus der Reihe der Jerusalemer Gläubigen aus. Er geht in die Wüste, ändert provokant sein Äußeres, seine Lebensgewohnheiten. An ihm scheiden sich die Meinungen. Johannes ist der charismatische Kritiker und Prophet. Hier geht es um die persönliche Glaubensbeziehung und Umkehr, nicht um den Alltag in der lokalen Glaubensgemeinschaft. Jesus kommt ihm später völlig unauffällig entgegen, eingereiht in die Schaar der Gläubigen. Und Johannes erkennt Jesus als den Stärkeren, den mit seiner eigenen Geburt angekündigten Messias. "Ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzubinden," wird er sagen. Auch Johannes sieht sich nur als Wegweiser. Das ist der andere Weg: Das Neue, die Berufung auch als etwas Neues zu definieren und radikal anders zu sein. Johannes zeigt, wie viel Überzeugung, aber auch wie viel Demut dazu nötig ist.
Zacharias und Johannes sind zwei Brückenköpfe vom alten Bund in den neuen. Auch wir Ordens- und Pfarreigemeinschaften können Brückenköpfe von der Volkskirche in eine neue Zeit der Kirchen und des Glaubens sein: Wachsam und offen für das Neue, ohne das Alte abzuwerten; das Alte nicht verlieren, sondern es in das Neue mitnehmen – und so Gott gemeinsam finden in besonderen Events oder im normalen Sonntagsgottesdienst.
Evangelium nach Lukas (Lk 1, 57-66.80)
Für Elisabeth kam die Zeit der Niederkunft, und sie brachte einen Sohn zur Welt. Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, welch großes Erbarmen der Herr ihr erwiesen hatte, und freuten sich mit ihr. Am achten Tag kamen sie zur Beschneidung des Kindes und wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben.
Seine Mutter aber widersprach ihnen und sagte: Nein, er soll Johannes heißen. Sie antworteten ihr: Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt. Da fragten sie seinen Vater durch Zeichen, welchen Namen das Kind haben solle. Er verlangte ein Schreibtäfelchen und schrieb zum Erstaunen aller darauf: Sein Name ist Johannes.
Im gleichen Augenblick konnte er Mund und Zunge wieder gebrauchen, und er redete und pries Gott. Und alle, die in jener Gegend wohnten, erschraken, und man sprach von all diesen Dingen im ganzen Bergland von Judäa. Alle, die davon hörten, machten sich Gedanken darüber und sagten: Was wird wohl aus diesem Kind werden? Denn es war deutlich, daß die Hand des Herrn mit ihm war.
Das Kind wuchs heran, und sein Geist wurde stark. Und Johannes lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er den Auftrag erhielt, in Israel aufzutreten.