Dialog und Respekt
Wer an "Mission" denkt, hat – auch geprägt durch historische Erzählungen und Spielfilme – ein bestimmtes Bild vor Augen: Der weiße Ordensmann kommt in den Dschungel, um dem "Wilden" nicht nur den christlichen Glauben zu vermitteln, sondern ihn gleich auch noch nach europäischen Maßstäben zu zivilisieren. "Der Begriff ist in der Tat geschichtlich vorbelastet", sagt Pater Markus Luber, Leiter des Instituts für Weltkirche und Mission in Frankfurt am Main. Dazu hätte unter anderem beigetragen, dass Mission mit staatlichem Zwang und europäischer Kolonialpolitk in Verbindung gebracht wird. "Es gibt daher durchaus Überlegungen, sich von dem Begriff zu verabschieden", sagt er.
Doch bisher haben sich Kirche und Forschung auf keine andere – und vor allem treffendere – Bezeichnung einigen können. Ausweichbegriffe wie etwa "Evangelisierung" sind dem Jesuiten Luber nicht umfassend genug: "Das Wort Mission bringt den Gedanken der Sendung besser zum Ausdruck und beruht auf der 'missio dei', dem Engagement Gottes in der Welt", sagt er. Außerdem stehe durch die Bezeichnung die gesandte Person stärker im Fokus. Sie sei es, die bei der Verkündigung des Glaubens mit den Menschen, der Kultur und der Umwelt in den Dialog eintrete. Und auf diese persönliche Begegnung komme es an.
Um Dialog geht es auch in einem ökumenischen Dokument mit dem Titel "Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt". Über einen Zeitraum von fünf Jahren haben der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog, der Ökumenische Rat der Kirchen und die Weltweite Evangelische Allianz diesen christlichen Verhaltenskodex mit Empfehlungen erarbeitet. Das Papier führt wichtige missionarische Prinzipien auf. Dazu gehören Gerechtigkeit und das Ablehnen von Gewalt, gegenseitiger Respekt und Ehrlichkeit. Auch aus der Geschichte hat man gelernt: So werden "Täuschung und Zwangsmittel" bei der Mission als Verrat am Evangelium bezeichnet. Und natürlich fordert das Dokument den Austausch mit Menschen anderer Religionen und Kulturen sowie mit Nicht-Gläubigen.
Jesus Christus als Orientierungshilfe für das eigene Handeln
Als Orientierungshilfe soll dabei immer Jesus Christus selbst dienen: seine Verkündigung des Reiches Gottes, sein Dienst am Nächsten und seine Selbsthingabe. "In dem Dokument ist häufig vom Wort 'Zeugnis' die Rede", sagt Luber, für den Jesus Christus selbst "der Zeuge schlechthin ist". Zeugnis bedeutet jedoch nicht nur über Jesus zu reden, sondern auch so wie er zu handeln. Wer sich für andere einsetze, der verkünde auf seine Weise die Botschaft Christi, erklärt der Pater. Umfragen könne man entnehmen, dass gerade das soziale und caritative Engagement von Christen in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert habe. Die Botschaft der Nächstenliebe oder der Option für die Armen – die durch Papst Franziskus wieder an Popularität gewinnt – seien Aspekte des christlichen Glaubens, der auf offene Ohren stoße.
Luber sieht in diesem Ansatz keinesfalls eine Reduktion auf soziales Engagement oder eine Art Gutmenschentum. Wenn man jemandem den christlichen Glauben näherbringen wolle, könne man eben nicht mit der Tür ins Haus fallen. "Ich kann mich nicht in die Fußgängerzone stellen und von der Wahrheit der Dreifaltigkeit erzählen", so der Institutsleiter. Stattdessen taste er sich schrittweise voran. "Ausgehend von den Erfahrungen der Menschen kann ich die christliche Botschaft der Hoffnung einbringen." Nur dann könne man auch vom Kreuz und der Auferstehung sprechen, "die mir sagen, dass aller Einsatz trotz der Widerstände und Widersprüchlichkeiten nicht umsonst ist".
Der ökumenische Verhaltenskodex soll sich vor allem mit den praktischen Fragen auseinandersetzen, die sich weltweit für das christliche Zeugnis ergeben. Dafür müsse man sich erst einmal von der Vorstellung verabschieden, dass Missionare aus Europa und Nordamerika dem Rest der Welt die Frohe Botschaft verkünden, erklärt Luber. Stattdessen sei es ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Die Ausgangssituation für Missionare sei jedoch überall auf der Welt unterschiedlich. "In Europa stellen die Menschen aufgrund der Geschichte ganz andere Fragen als in Afrika und definieren ihr Verhältnis zur Religion neu", sagt der Jesuitenpater. Beim internationalen Kongress "MissionRespekt" in Berlin werden ab Mittwoch genau diese praktischen Fragen mit Impulsen aus anderen Weltgegenden sowie in Vorträgen und Workshops diskutiert.
Auftrag: Christen müssen für Verständigung sorgen
Auch um das Verhältnis der Weltreligionen wird es dabei gehen. Denn der Kodex empfiehlt Christen Beziehungen zu anderen Religionen aufzubauen, die von "Respekt und Vertrauen geprägt" seien. "Gerade bei so schlimmen Auseinandersetzungen wie jetzt im Irak muss ich meinen Missionsbegriff genau definieren", sagt Luber. Das Ziel müsse es sein, für Verständigung zu sorgen, um den ideologischen Konflikt nicht weiter anzuheizen. "Denn Verkündigung und Dialog gehören zusammen." Und es sei ebenso missionarisch, die Religion in den Dienst der Versöhnung zu stellen. Zugleich könne der Dialog aber auch prophetische Züge haben. "Dort, wo humanitäre Prinzipien verletzt werden, muss auch im Namen des Glaubens Kritik geübt werden", sagt der Jesuit.
Mission fängt heute in unseren Breiten aber bereits bei kleinen Details an. Jedem einzelnen Christen rät Luber: "Bringen sie sich – wenn es passt – im Gespräch mit ihren Mitmenschen über grundsätzliche Fragen des Lebens wie Beziehung, Beruf, Krankheit oder Tod ein." Und wenn dem Gesprächspartner die Antwort aus christlicher Perspektive nicht gefalle, solle man eine einfache Frage stellen: "Wie sieht denn deine Antwort aus?" Es gehe nicht um christliche Floskeln, sondern darum, die Erfahrungen aus dem Glauben heraus zu erschließen, so der Jesuit. "Ich bin überzeugt, dass sich auch heute Menschen über das Evangelium freuen, wenn wir es in einer Haltung des Dialogs mit Respekt und Mitgefühl verkünden."
Von Björn Odendahl