Organspende: Bischöfe skeptisch bei Widerspruchslösung
Die Deutsche Bischofskonferenz hat erhebliche ethische Bedenken gegenüber einer möglichen Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende. Eine Organspende sei ein Akt von hohem moralischen Wert und eine besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe über den Tod hinaus, sagte Pressesprecher Matthias Kopp am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Die bestehende Entscheidungslösung, die erst vor sechs Jahren beschlossen worden sei, gewährleiste die Möglichkeit einer freien und informierten Entscheidung und respektiere das Selbstbestimmungsrecht.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit seiner Forderung nach einem Systemwechsel bei der Organspende eine heftige Debatte ausgelöst. Künftig solle jeder Deutsche automatisch ein Spender sein, so lange er oder die Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen, sagte der Minister der "Bild"-Zeitung (Montag). Nur durch eine solche "doppelte Widerspruchslösung" könne die Organspende zum Normalfall werden. Bereits Anfang Juni hatte Spahn angekündigt, nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzesentwurf präsentieren zu wollen.
Kopp: Bessere Finanzierung für die beteiligten Krankenhäuser
Kopp betonte, die Bischöfe befürworteten Maßnahmen, um die Abläufe in der Transplantationsmedizin zu verbessern, etwa mit Blick auf mehr Kompetenzen für die Transplantationsbeauftragten und eine bessere Finanzierung für die beteiligten Krankenhäuser. "Eine Grundsatzdebatte über die Systemfrage einschließlich der Widerspruchlösung sollte dabei nicht an erster Stelle stehen", sagte er. Zudem zeige der Blick auf andere Länder, dass alleine die Umstellung auf die Widerspruchslösung nicht dazu führe, dass mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung stehen.
"Man kann die Organspende nicht einfach zur rechtlichen und moralischen Pflicht erklären", sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Dienstag). "Eine Organentnahme ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen ist ein sehr weitgehender Eingriff in die Integrität des Menschen und seines Körpers." Er habe Zweifel, ob eine Lösung, bei der ein ausdrücklicher Widerspruch des Betroffenen oder seiner Angehörigen erforderlich wäre, um die Organentnahme zu verhindern, ethisch zu vertreten sei. Die Organspende sei ein Akt der christlichen Nächstenliebe. "Das Prinzip Freiwilligkeit haben wir immer sehr hochgehalten", so Sternberg weiter.
Der Erlanger Sozialethiker Peter Dabrock kritisierte Spahns Forderungen noch einmal deutlich schärfer. Die Einführung einer Widerspruchslösung würde "einen fundamentalen Paradigmenwechsel" bedeuten, sagte Dabrock, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist, der KNA. "Die bisherige Organspende trage den Charakter von Freiwilligkeit und von wohltätiger Solidarität mit Schwerkranken. "Jetzt werden Verpflichtung und Abgabe in den Mittelpunkt gestellt. Eine solche Regelung machte den menschlichen Körper zu einem Objekt staatlicher Sozialpflichtigkeit", sagte der evangelische Theologe. Es wäre ehrlich, dann von Organabgabepflicht statt von Organspende zu sprechen. Die bisher als selbstverständlich erachtete Integrität des Körpers würde in Frage gestellt.
Dabrock: Braucht Strukturverbesserungen in der Transplantationsmedizin
Dabrock fügte hinzu, eine solche Lösung, in diesem allerhöchst persönlichen Bereich eine Aussagepflicht zu verlangen, widerspreche dem Geist, mit dem Gesetzgeber und Gerichte bisher die Verfassung ausgelegt hätten. "Es muss aber auch möglich sein, sich mit dieser Frage nicht beschäftigen zu wollen." Der Ethikexperte betonte, es werde als ein großer Fortschritt gefeiert, dass "die Datenschutzgrundordnung die ausdrückliche Zustimmung bei jeder Datenweitergabe fordert. Und nun wird debattiert, dass bei der Verwendung des eigenen Körpers über den Tod hinaus der Widerspruch leitend sein soll." Das passe nicht zusammen.
Aus Sicht des Sozialethikers ist eine größere Zahl von Organspenden in Deutschland wünschenswert. Dazu müsse es Strukturverbesserungen in der Transplantationsmedizin geben. Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin würde aber weiter verringert, wenn das Verfügungsrecht der Menschen über ihren eigenen Körper geschmälert würde. (bod/KNA)