Von Tätern und Komplizen
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Und wieder Sachsen – eine ganze Republik diskutiert, was in diesem Bundesland verkehrt läuft. Nach der Debatte um Polizei, Medien und Demonstranten aus dem LKA erreicht mit „Chemnitz“ das Land einen Tiefpunkt, der fast schon in Ratlosigkeit umzuschlagen droht.
Die Konsequenzen für Christen lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:
- Haltung zeigen: Rechtsextremismus bleibt Rechtsextremismus, auch wenn er sich in das Gewand der Trauer hüllt. Keine Wut legitimiert das Mitlaufen unter dieser Fahne. Wer dennoch meint, damit seinem Unmut ausdrücken zu müssen, macht sich zum Komplizen. Es ist gut, wenn die Mitte der Gesellschaft mit Aktionen und deutlichen Worten hier ein Stoppschild aufstellt.
- Der Trauer Raum geben: Wer, wenn nicht die Kirchen, hat Erfahrung im Umgang mit Trauer und sich daraus entwickelnder Wut? Ich wünsche mir eine Seelsorge, die den Menschen Räume des stillen Trauerns bietet und die Wut über die Straftat in Worte bringt. Es wäre eine adäquate Antwort auf jeden Versuch der politischen Instrumentalisierung menschlich legitimer Emotionen.
- Vorschnelle Urteile vermeiden: Bei allem Verständnis für den Reiz der schnellen Nachricht sollte dem Rechtsstaat die Zeit gelassen werden, die Straftaten – vom Mord bis zum rechtsextremen Symbol – aufzuklären und die juristischen Konsequenzen zu ziehen. Ebenso schädlich sind voreilige Erklärungsversuche, die schnell in Stigmatisierungen enden. Jede Dramatisierung und Generalisierung vergrößert den Riss, weil die Menschen vor Ort die Differenz zwischen Erlebtem und Berichtetem selbst erfahren haben.
- Den Menschen nicht aus dem Blick verlieren: Es ist Kennzeichen des Christlichen, die Sünde zu verurteilen, ohne den Sünder abzulehnen. Es wird eine Herausforderung für die Gesellschaft, Polarisierungen zugunsten des Zusammenhalts wieder abzubauen. Ich wünsche mir Christen, die bereit sind, die Grenzen deutlich zu benennen, ohne den Menschen an sich abzulehnen.
- Die Debatte über die dahinterliegenden Probleme wagen: hoher Respekt für den Ministerpräsidenten, der inmitten der angespannten Situation das lang geplante „Sachsengespräch“ geführt hat. Dabei wurde deutlich, dass die Unzufriedenheit im Land weit über den wahrnehmbaren Fremdenhass hinaus reicht. Die Institutionen müssen den Mut haben, über die Verunsicherungen und Verletzungen der Bürger zu diskutieren. Dies ist nicht nur eine Übung in demokratischer Streitkultur, sondern kann auch zur Debatte über das werden, was uns künftig als Gesellschaft eint. Christliche Akademien sind hierfür ideale Foren. Es wäre wünschenswert, wenn ein solcher Diskurs auf das ganze Land ausstrahlte.
Was sich in mehr als einer Generation verfestigt hat, lässt sich nicht grundlegend mit ein paar Diskussionen verändern. Es braucht das Bohren dicker Bretter. Bis zur sächsischen Landtagswahl bleibt dafür aber wenig Zeit. Wer für Demokratie einsteht, darf nie vergessen, dass er ihr Teil ist: Demokratie lebt vom bürgerlichen Engagement. Dieses Engagement formiert sich in Parteien. Parteien müssen um Mehrheiten werben, ohne dabei die Wahrhaftigkeit aufzugeben. Das ist lebendige Demokratie, die in aller Meinungsvielfalt den Konsens zum Wohl der Menschen sucht. Diese kausale Kette macht deutlich, dass es am Ende auf jeden einzelnen ankommt. Das ist mühsam und langwierig. Aber eine besondere Verantwortung für Christen, wenn sie für sich in Anspruch nehmen, Salz der Erde zu sein.