Als Harald Glööckler Besuch von Jesus bekam
Er ist der "Prince of Pompöös" und für seine exzentrischen Auftritte bekannt. Doch jetzt zeigt Modedesigner Harald Glööckler eine unbekannte Seite von sich: In seinem neuen Buch "Kirche, öffne dich!" setzt sich der 53-Jährige sehr persönlich mit seinem Glauben und der Kirche auseinander. Seine These: Obwohl die Kirche "die beste Botschaft der Welt" hat, schafft sie es nicht mehr, die Menschen für sich zu begeistern. Glööckler will das ändern und gibt im Interview mit katholisch.de Tipps, wie die Kirche seiner Meinung nach wieder attraktiver werden kann. Außerdem spricht er über eine Begegnung mit Jesus in seinem Garten und die Frage, was er vom wenig "pompöösen" Papst Franziskus hält.
Frage: Herr Glööckler, Bücher über die Kirche und die Frage, ob und wie sie sich verändern muss, gibt es viele. Warum haben jetzt auch Sie ein solches Buch geschrieben?
Glööckler: Weil ich glaube, dass meine Sicht auf Glaube und Kirche und meine persönlichen Erfahrungen mit diesen Themen für viele Menschen interessant sind; ich habe schließlich eine große Strahlkraft. Und ich denke – und das zeigen auch die ersten Reaktionen auf das Buch –, dass sich viele Menschen mit ihren eigenen Erlebnissen mit der Kirche und dem Glauben in meinen Aussagen wiederfinden können.
Frage: Ihr Buch ist zwar keine Abrechnung mit der Kirche. Trotzdem sind die Erfahrungen mit der Kirche, die Sie in Ihrem Buch schildern, überwiegend negativ. Schon in frühester Kindheit, so schreiben Sie, sind Sie von der Kirche enttäuscht worden. Wie?
Glööckler: Auf zweierlei Weise. Zum einen hatte ich als kleiner Junge ein sehr negatives Erlebnis mit dem Pfarrer in unserem Ort. Ich erlebte, wie andere Kinder am Pfarrhaus gerade einen Klingelstreich machten, als er plötzlich das Fenster aufriss und sie anbrüllte: "Was macht ihr da? Seid ihr verrückt?". Sie antworteten: "Die Klingel blitzt so schön." Darauf erwiderte der Pfarrer: "Wenn ich runterkomme, blitzt es bei euch auch!" Das hat mich damals sehr schockiert, denn ich hätte nie gedacht, dass ein Pfarrer so bösartig sein kann. In meiner Vorstellung waren Pfarrer immer nett und hatten Verständnis. Doch dieser Pfarrer war ganz anders, der hatte nie ein Lächeln im Gesicht. Darüber hinaus habe ich mich als Kind aber auch in der Kirche selbst unwohl gefühlt. Dass dort immer gesagt wurde, dass Jesus, der so schrecklich blutend am Kreuz hing, auch für meine Sünden gestorben sei, hat mich tief verstört. Welche Sünden kann ein kleiner Junge schließlich schon begangen haben? Und so kam es, dass ich mich meist schlecht und wenig willkommen gefühlt habe, wenn ich als Kind aus der Kirche kam.
Frage: Ist diese fehlende "Willkommenskultur" aus Ihrer Sicht auch heute noch ein Problem der Kirche?
Glööckler: Leider ja. Ich kenne viele Menschen, die sich in der Kirche nicht willkommen fühlen und sich deshalb von ihr abgewendet haben. Das ist sehr traurig, denn schließlich müssten die Kirchen eigentlich ein Zufluchtsort sein, an dem man sich geborgen fühlt, an dem man Liebe und Verständnis erfährt und seine Sorgen loswerden kann. Die Kirche sollte uns nicht maßregeln; vielmehr sollte sie uns auffangen, wenn wir fallen und uns umarmen, wenn wir versagt haben.
Frage: Was müsste die Kirche Ihrer Meinung nach dafür tun?
Glööckler: Sie muss von ihrer Wolke herunterkommen, auf die Menschen zugehen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Viele Menschen fühlen sich in der heutigen Gesellschaft überfordert und suchen Halt – und die Kirche könnte ihnen genau diesen Halt geben. Sie hat schließlich immer noch die beste Botschaft der Welt.
Frage: Warum schafft es die Kirche denn nicht, diese Botschaft attraktiv und einladend zu vermitteln?
Glööckler: Weil die Kirche noch nicht verstanden hat, dass sie die Menschen aktiv für sich gewinnen muss. Das ist wie in einem Restaurant: Wenn der Koch möchte, dass Sie Stammkunde werden, muss er gut kochen. Wenn es Ihnen in dem Restaurant aber nicht schmeckt, werden Sie auch nicht wiederkommen.
Frage: Was schmeckt Ihnen denn in der Kirche nicht?
Glööckler: Wie ich schon sagte: Die Kirche sollte die Menschen nicht maßregeln und ihnen kein schlechtes Gewissen einreden. Auch das ganze Gerede, dass wir in Armut und Demut leben sollten, finde ich falsch. Vor allem aber müssten die Gottesdienste verändert werden, die sind meist unglaublich langweilig. Diese sollten mehr als Freudenfest zelebriert werden.
Buchtipp
Harald Glööckler: "Kirche, öffne dich! Hat die Kirche noch Zukunft? Was sich ändern muss." adeo Verlag 2018, 200 Seiten, 22 Euro.Frage: Sie haben vorhin gesagt, dass der gekreuzigte Jesus Sie als Kind verstört hat. Hat sich Ihr Blick auf Christus inzwischen verändert?
Glööckler: Ja, obwohl ich tatsächlich lange Zeit nichts mit ihm zu tun haben wollte. Vielleicht auch deshalb, weil mich die Leidensdarstellungen Jesu immer an das Leid meiner Mutter erinnert haben, die von meinem Vater regelmäßig verprügelt wurde. Deshalb wollte ich wohl nicht auch noch in der Kirche mit Leid konfrontiert werden. Dieser Blick auf Jesus hat sich erst geändert, als er mir eines Tages in meinem Garten erschienen ist. Sein Anblick war strahlende Liebe; seitdem bin ich mit ihm wieder eng verbunden.
Frage: Die Szene, wie Ihnen Jesus begegnet ist, schildern Sie auch in Ihrem Buch. Fürchten Sie nicht, dass viele Menschen Ihnen diese Geschichte nicht glauben werden?
Glööckler: Klar, das Ganze klingt ziemlich verrückt. Aber das könnte man genauso auch über die zahlreichen Marienerscheinungen in aller Welt sagen. Denken Sie zum Beispiel an Lourdes. Sind die Menschen dort wirklich alle verrückt und einer Lüge aufgesessen? Ich kann nur sagen, was ich gesehen habe: Ich saß in meinem Garten und hatte eine unangenehme Angelegenheit zu klären. Ich habe dann zunächst den Erzengel Michael angerufen – den rufe ich immer an, und der kommt auch immer –, aber in diesem Fall konnte er mir nicht helfen. Doch plötzlich erschien mir ein helles Licht und aus diesem Licht trat Jesus hervor und löste mein Problem. Da war plötzlich ganz viel Liebe und Licht. In dem Moment war alles leicht, alles Negative wurde von mir genommen.
Frage: Wenn Sie könnten: Würden Sie Jesus gerne einkleiden? Immerhin sind Sie im Hauptberuf immer noch Modedesigner.
Glööckler: Die Frage bekomme ich so ähnlich auch immer wieder mit Blick auf Angela Merkel gestellt. Ich glaube aber, dass Jesus wesentlich einfacher einzukleiden wäre als die Bundeskanzlerin. Aber einkleiden würde ich ihn erst, wenn er mich darum bitten würde.
Frage: Sie sind evangelisch getauft worden, aber schon vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten. In Sachen "Styleguide" würden Sie aber ohnehin besser zur katholischen Kirche passen, oder?
Glööckler: Als Kind habe ich tatsächlich manchmal gedacht: Katholisch sein, das wär's. Schließlich haben die Katholiken die Gottesmutter – und die hängt nicht blutend am Kreuz, sondern ist strahlend schön. Aber auch in Sachen Prachtentfaltung gefällt mir die katholische Kirche; für mich kann es gar nicht genug Brokat sein. Wenn ich von der Kirche beauftragt werden würde, liturgische Gewänder zu designen, würde das aussehen wie bei den Borgia.
Frage: Dann ist Papst Franziskus mit seiner bescheidenen Art wohl eher nicht Ihr Fall?
Glööckler: Doch, als Mensch finde ich ihn großartig und ich glaube, dass er eine große Seele und ein großes Herz hat. Ich setze auch immer noch Hoffnungen in ihn, dass er in der Kirche einige Dinge grundlegend verändern kann – dafür muss er jetzt aber auch endlich richtig Gas geben. Zuletzt habe ich mich allerdings sehr über seine Aussagen zur Homosexualität geärgert. Dass er homosexuelle Kinder zum Therapeuten schicken will, war ein absoluter Tiefschlag. Trotzdem würde ich mich gerne einmal mit ihm zum Gespräch treffen – und meine Wahrsagerin hat mir auch eine baldige Audienz vorausgesagt.
Frage: Franziskus steht wegen neuer Missbrauchsfälle in der Kirche gerade stark unter Druck. Wie gucken Sie auf dieses Thema? Immerhin schreiben Sie in Ihrem Buch, dass auch Sie selbst als Fünfjähriger von einem Bekannten Ihrer Eltern missbraucht wurden.
Glööckler: Wenn ich sehe, was in der katholischen Kirche derzeit los ist, wird mir übel – vor allem, wenn ich das Gefühl habe, dass die Kirche nicht ernsthaft und tatkräftig genug gegen den Missbrauch vorgeht. Um es deutlich zu sagen: Die Kirche muss die Täter am Hals packen und aus dem kirchlichen Dienst entfernen. Außerdem muss sich die Kirche ohne Wenn und Aber bei den Opfern und ihren Familien entschuldigen. Leider tut sie das größtenteils immer noch nicht. Viel zu oft werden die Täter in der Kirche als Opfer dargestellt und die Aussagen der wahren Opfer in Frage gestellt. Das ist richtig übel.