Bischöfe kritisieren EuGH-Urteil zum Arbeitsrecht
Die Deutsche Bischofskonferenz sieht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Kündigung eines katholischen Chefarztes kritisch. Die verfassungsrechtliche Position, die den Kirchen nach dem Grundgesetz zukomme, sei dabei nicht ausreichend berücksichtigt worden, erklärte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, am Dienstag in Bonn. Der Gerichtshof hebe jedoch "ausdrücklich und zutreffend hervor, dass es letztlich Sache des nationalen Gerichts ist, über die Rechtfertigung der loyalitätsrechtlichen Anforderung im Einzelfall zu entscheiden".
Es sei Sache der Kirche, nicht der staatlichen Gerichte, im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts festzulegen, welche Loyalitätserwartungen sie an ihre Mitarbeiter stelle, so Langendörfer. Dazu zähle auch die Beurteilung, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere und welches Gewicht ein gegebenenfalls schwerer Loyalitätsverstoß habe. "Die Rechtsstellung der Kirchen, die in Deutschland verfassungsrechtlich abgesichert ist, wird auch europarechtlich geschützt", heißt es weiter.
EuGH spricht von "verbotener Diskriminierung"
Am Dienstag hatte der EuGH geurteilt, die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen Wiederheirat nach einer Scheidung könne eine "verbotene Diskriminierung" darstellen. Die Richter wiesen darauf hin, dass sie keinen Zusammenhang zwischen der Zustimmung zum Eheverständnis der katholischen Kirche und den Tätigkeiten des Chefarztes sähen. Gleichzeitig betonten sie jedoch, dass eine Kirche grundsätzlich an ihre leitenden Angestellten - je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit - "unterschiedliche Anforderungen" stellen dürfe. Nationale Gerichte müssten jedoch überprüfen können, ob die Religion mit Blick auf die Tätigkeit eine wesentliche Anforderung sei. Im vorliegenden Fall müsse dies nun das Bundesarbeitsgericht untersuchen.
Die deutschen Bischöfe wiesen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass sich die 2009 ausgesprochene Kündigung noch auf ein kirchliches Arbeitsrecht bezogen habe, das mittlerweile grundlegend reformiert worden sei. Damals sei die Kündigung der Regelfall gewesen. "Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenarbeitsrecht anders zu beurteilen", sagte Langendörfer. Bereits 2015 hatte die katholische Kirche ihre "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" unter anderem mit Blick auf die Loyalitätsanforderungen gelockert.
Arbeitsrechtler sieht Herausforderungen für deutsche Gerichte
Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing, der den Fall für die Bischofskonferenz und das Erzbistum Köln begleitet, betonte, dass seit der Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts außerhalb des liturgischen, erzieherischen und verkündenden Bereichs "nicht per se und grundsätzlich" eine Kündigung als Folge einer Wiederverheiratung bei katholischen Mitarbeitern ausgesprochen werden solle. "Insofern spricht viel dafür, dass dem Chefarzt heute nicht mehr gekündigt würde", so Thüsing auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Zugleich wies der Jurist auf die Herausforderungen des EuGH-Urteils hin. Das europäische Recht nach dem Urteil mit dem deutschen Verfassungsrecht zu versöhnen, sei "eine herausfordernde Aufgabe", weil das Bundesverfassungsgericht den Fall anders beurteilt hatte als nun die europäischen Richter. "Wenn das europäische Recht so präzise wird, dass dies zu einem anderen Ergebnis führen würde, dann könnte man fragen, wie dieser Konflikt aufzulösen ist", sagte Thüsing. Dieser Aufgabe müsse sich nun zunächst das Bundesarbeitsgericht in Erfurt annehmen, an das der EuGH den Fall in seinem Urteil zurückverwiesen hat. Klar sei aber, dass die Entscheidung des EuGH den bisherigen Spielraum deutscher Gerichte ein Stück weit einschränke. "Wie weit, das hängt auch davon ab, wie das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung interpretieren wird." (bod/stz)