Vom Reichtum der leeren Hände
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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff
Die Reichen kommen in diesem Evangelium mal wieder schlecht weg. Der Jüngling, der sich nicht vom Besitz trennen kann, die Reichen, die nicht durchs Tor passen. Hier auf der Erde dürfen sie Kirchensteuer und Spenden zahlen, dort im Himmel müssen sie draußen bleiben?
Es wirkt hier hart, wenn Jesus den Jüngling, der nach dem jüdischen Gesetz alles richtig macht, vor eine weitere, scheinbar unüberwindliche Hürde stellt: "Lass alles los." Und danach verwendet er ein bekanntes jüdisches Bild, ein kleines Jerusalemer Stadttor, um darzulegen: Ein Reicher schafft es nicht in das Himmelreich.
Dann kann ich mich als Ordensschwester mit Armutsgelübde ja beruhigt zurücklehnen, oder? Nein, auch ich würde dabei sicherlich nach hintenüberkippen, erschlagen von meinem Reichtum. Wer wissen will, wie reich er ist, versuche einmal, abends sein Smartphone wegzulegen, anstatt wie gewohnt nochmal eine Bestandsaufnahme der Fülle seiner Freunde, der Menge seiner Informationen und der Galerie seiner Erlebnisse zu machen. Der versuche, sich in der Kirche fünf Minuten auf Gott zu konzentrieren – und nicht zu überlegen, wie er die Projekt-Frist noch einhalten kann, den Stromverbrauch senken oder wie er morgen noch erfolgreicher argumentieren kann. Wer viel hat, den beschäftigt sein Reichtum. Reichtum ist auch Last. Ein Unternehmer mag reich sein, mehrere Häuser und Autos besitzen, aber er kann auch die Verantwortung für die Mitarbeiter, die Sorgen um die Werke etc. nicht weglegen. Wer viel besitzt, wird auch viel besessen. Wer Macht hat, hat gelernt, Ohnmacht zu kompensieren.
Der Jesuit Alfred Delp (1907-1945) schreibt im Gefängnis, dass wir Gott zur Anbetung unsere Hände hinhalten sollen. Und er beobachtet: "Unsere Hände sind leer. Sie sind mehr als leer. Sie zeigen Risse und bluten aus Wunden, weil man uns Dinge entreißen musste." Meine ganzen Pläne, meine Sorgen, meine Nöte aber auch meine Ideen, meinen eigenen Lösungen, mein Besserwissen – all das gebe ich nicht freiwillig ab. Gott braucht aber den ganzen Menschen, der frei ist zu sich selbst. Frei ist er, wenn der Blick vom Reichtum und dem Wunsch nach Reichtum unverstellt ist. Denn erst in dieser Haltung kann der Mensch darauf vertrauen – und das ist der entscheidende, wichtigste Satz im Evangelium –, dass für Gott alles möglich ist
Wie kommt also ein Reicher in den Himmel? Mich beeindruckt ein Satz von einem der einst mächtigsten Männer Europas, des verstorbenen Ministers Hans-Dietrich Genscher vor seinem Tod: "Ich habe nie mit meinem Schicksal gehadert, was ja auch heißt, nie mit Gott gehadert – ihm aber immer wieder gedankt, er war stets gnädig mit mir." Genscher war sich offensichtlich Zeit seines Lebens bewusst, dass er vom Geschenk Gottes lebt. Und er konnte Gott immer wieder dankend die Hände hinhalten. Der große Mann verweist auf den größeren gnädigen Gott – diese Armut kann sich auch ein Reicher leisten. Denn, um nochmal den Jesuiten Alfred Delp zu zitieren: "Im Reich Gottes gibt es keinen Selfmade-Mann."
Evangelium nach Markus (Mk 10,17-30)
In jener Zeit lief ein Mann auf Jesus zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. Da sagte Petrus zu ihm: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.