Studierende und Fakultätentag kritisieren Vatikan

Debatte um Pater Wucherpfennig hält weiter an

Veröffentlicht am 14.10.2018 um 14:41 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Weigerung des Vatikan, dem Rektor der Hochschule Sankt Georgen, Pater Ansgar Wucherpfennig, das erforderliche "Nihil obstat" für eine weitere Amtszeit zu erteilen, hat am Wochenende weiter für Diskussionen gesorgt. Der AStA der Hochschule zeigte sich "schockiert, fassungslos und äußerst besorgt".

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Die fehlende Bestätigung des Vatikan für eine weitere Amtszeit von Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig als Rektor der katholischen Hochschule Sankt Georgen sorgt weiterhin für Debatten. Am Samstag wandte sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit. Darin zeigten sich die Studierendenvertreter "schockiert, fassungslos und äußerst besorgt" über das Verhalten des Vatikan gegenüber Wucherpfennig.

"Gerade zu Semesterbeginn herrscht große Verunsicherung, wie es für uns und unseren Rektor weitergeht. Wir finden das Verfahren vollkommen intransparent und inakzeptabel", so der AStA. Gerade auch vor dem Hintergrund der Jugendsynode, bei der der Vatikan zum Dialog anrege, erscheine das Vorgehen der Kurie im Fall Wucherpfennig "inkonsequent".

Vatikan verweigert Unbedenklichkeitserklärung

Wucherpfennig wurde bereits im Februar für eine dritte Amtszeit als Rektor der Hochschule in Frankfurt am Main wiedergewählt. Dort lassen die Bistümer Hamburg, Hildesheim, Limburg und Osnabrück ihre Priesteramtskandidaten ausbilden. Der Vatikan erteilte ihm bislang jedoch nicht die erforderliche Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"). Wucherpfennig hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und Frauen geäußert und Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften befürwortet.

Jesuit Ansgar Wucherpfennig
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Ansgar Wucherpfennig ist Jesuit und Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen.

Der AStA betonte, dass die Diskussion über gesellschaftspolitische Themen in der Kirche möglich sein müsse. Sollte der Vatikan bei seiner Entscheidung bleiben und Wucherpfennig die Unbedenklichkeitsbescheinigung weiter verweigern, würde der Kirchenstaat nach Ansicht der Studierendenvertreter eine offene akademische Diskussion in der Frage zum Umgang mit Homosexualität unterdrücken: "Vor diesem Hintergrund sind wir besorgt, dass dies auch in Bezug auf andere Themen zukünftig nicht mehr möglich sein könnte."

Mit seinen Aussagen zur Homosexualität habe Wucherpfennig "nach Ansicht eines Großteils der Studierenden lediglich eine exegetische Aussage" getätigt, so der AStA weiter. Auch das Kirchenrecht gestehe eine wissenschaftliche Freiheit zu, die gerade in Deutschland eine ausgeprägte Tradition besitze (hier können Sie die Stellungnahme des AStA im Wortlaut nachlesen).

Am Sonntag äußerte auch der Katholisch-Theologische Fakultätentag sein Unverständnis über die Verweigerung des Nihil obstat. "In erster Linie sehen wir darin einen in Form und Inhalt nicht zu rechtfertigenden Angriff auf einen verdienten Theologen, Seelsorger und Ordensmann", so das Gremium, das Wucherpfennig zugleich seine "uneingeschränkte Solidarität" aussprach. Der 1958 gegründete Fakultätentag ist der Zusammenschluss der 18 Theologischen Fakultäten und Fachbereiche an den staatlichen Universitäten oder in kirchlicher Trägerschaft sowie der 33 Institute für Katholische Theologie zur Ausbildung von Religionslehrern an den staatlichen Hochschulen.

Linktipp: Causa Wucherpfennig: Theologe Höhn sieht Stasi-Methoden im Vatikan

Nicht nur der Frankfurter Jesuit Ansgar Wucherpfennig ist von Lehrbeanstandungen aus Rom betroffen: Der Kölner Theologe Hans-Joachim Höhn will das Schweigen brechen: Er fordert ein "katholisches #metoo" der Nihil-obstat-Betroffenen.

Das Gremium betonte, dass es bei der Causa Wucherpfennig nicht um einen Einzelfall, sondern um ein Grundproblem kirchlicher Kommunikation gehe. Einmal mehr werde versucht, "ein theologisch und pastoral drängendes Thema disziplinarisch zu 'erledigen' und zu tabuisieren, anstatt dessen dringend nötige Klärung in einem offenen theologischen Prozess zu fördern". In dieser Verweigerung des Dialogs sehe man ein Zeichen jenes Missbrauchs von Macht, der gerade vor dem Hintergrund der jüngst veröffentlichten Untersuchung zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland als Grundproblem scharf kritisiert worden sei, so der Fakultätentag.

Theologie in Deutschland steht "in kritischer Loyalität" zu Rom

Weiter sehe man in der Verweigerung des Nihil obstat auch einen "schweren Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit theologischer Forschung und akademischer Selbstverwaltung". Die akademische Theologie in Deutschland stehe in kritischer Loyalität gegenüber dem römischen Lehramt. Verbundenheit mit ihrer eigenen Tradition bedeute für die Forschung und Lehre, innovativ an der Vermittlung von Lehre und Leben, von Glaubensüberlieferung und Glaubensausdruck in der pluralen Lebenswirklichkeit zu arbeiten, so das Gremium.

"Mit schriftlichen Ermahnungen und der Androhung von Disziplinarmaßnahmen, wie sie jüngst – nicht nur – im Fall Wucherpfennig stattgefunden haben, wird die offene Fortschreibung von Lehre und Praxis verhindert. Dadurch wird es aber auch unmöglich, die gravierenden innerkirchlichen Missstände, die im aktuellen Missbrauchsskandal offenbar geworden sind, aufzuklären, in ihrer Tragweite und ihren Ursachen zu erforschen", erklärte der Fakultätentag. Wenn Verantwortungsträger den Beitrag der Theologie zur Überwindung der fundamentalen Kirchenkrise gering schätzten oder disziplinarisch zurückwiesen, täten sie nicht nur den betroffenen Theologen Unrecht, sondern schadeten auch der Kirche.

Von Steffen Zimmermann