Mainzer Bischof äußert sich zur Causa Wucherpfennig

Kohlgraf fordert wissenschaftlich begründete Bibelauslegung

Veröffentlicht am 15.10.2018 um 15:50 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Die Kontroverse um den Fall des Jesuiten-Rektors Ansgar Wucherpfennig hält weiter an: Nun hat sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zu Wort gemeldet. Er ist für eine offene theologische Debatte um das Verständnis der Bibel.

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In der Causa Wucherpfennig hat sich nun Bischof Peter Kohlgraf zu Wort gemeldet: Der Mainzer Oberhirte forderte eine theologisch begründete Auslegung der Bibel. "Wissenschaftliche Erkenntnisse muss man mit den Themen der Heiligen Schrift ins Gespräch bringen dürfen", sagte Kohlgraf am Montag in Mainz. Dies sei eine Kernaufgabe der wissenschaftlichen Theologie, die bereits von den Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte praktiziert und vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) bestätigt worden sei. Auch die Päpstliche Bibelkommission habe im Jahr 1993 vor einem "unkritischen wörtlichen Textverständnis zahlreicher biblischer Stellen" gewarnt, so Kohlgraf.

Kohlgraf verteidigt Debatte über Bibelauslegung

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die vatikanischen Bildungskongregation dem Jesuiten Ansgar Wucherpfennig das notwendige "Nihil obstat" verweigert, um sein Amt als gewählter Rektor der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main antreten zu können. "Eine exegetische Anfrage" an Aussagen des biblischen Römerbriefs zur Legitimität von Homosexualität sei dem Neutestamentler Wucherpfennig "jetzt zum Problem geworden", so Kohlgraf. Er selbst könne nicht sagen, ob die Deutung des Jesuiten richtig sei. Doch er setze sich für Möglichkeit zur Debatte ein, da sie bei der "Reifung der Erkenntnis in der Kirche helfen" könne. Denn wenn jede Bibelstelle "direkt wörtlich geoffenbarte unveränderliche Wahrheit wäre, müssten wir aktuell Ehebrecher, Gotteslästerer, Wahrsager, ungehorsame Söhne und Töchter und Menschen, die am Sabbat ihr Auto waschen, steinigen". Religiöse Bildung und theologische Forschung seien notwendig, "um das Verständnis der Heiligen Schrift zu retten und sie gegebenenfalls nicht der Lächerlichkeit preiszugeben", so Kohlgraf, der vor seiner Wahl zum Mainzer Bischof im Jahr 2017 selbst Theologie-Professor war.

In der Debatte um den Fall von Wucherpfennig hatten in den vergangenen Tagen bereits zahlreiche Theologen ihre Solidarität mit dem Neutestamentler bekundet. Der autoritäre Umgang des Vatikan mit Theologen sei "einfach nicht akzeptabel", sagte der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald am Samstag. Ebenso stellten sich etwa der Katholisch-Theologische Fakultätentag, die Vertretung der theologischen Seminare und Institute in Deutschland, sowie der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule Sankt Georgen hinter den Jesuiten-Rektor. Zuvor hatten der zuständige Limburger Bischof Georg Bätzing, der Provinzial der Gesellschaft Jesu, Pater Johannes Siebner, und mehrere Bistümer Wucherpfennig ihre Unterstützung zugesichert. (rom)