Ausflug in die unterirdische Gräberwelt der frühen Christen
Frühmorgens an der Via Appia: Die Sonne strahlt, der Himmel ist klar und blau. Das Ehepaar Barzan ist aus Venedig gekommen, zwei kleine weiße Hündchen lugen aus ihren Umhängetaschen: "Leider dürfen wir mit den Hunden nicht hinein", bedauern die Eheleute, während andere Besucher in die fensterlose Welt der Gräbergänge stapfen.
Andrea Hindrichs, aus Bonn stammende Fremdenführerin, geleitet die deutschsprachige Gruppe durch die Domitilla-Katakombe: "Ich mag die Katakomben sehr, ich finde sie einen enorm spannenden Teil der Geschichte Roms", sagt die promovierte Historikerin und Archäologin. "Die Erfinder der Katakomben sind die Juden, es gibt auch sechs jüdische Katakomben in der Stadt." Nach mehrjähriger Restaurierung ist die Domitilla-Katakombe seit Mai 2017 wieder der Öffentlichkeit zugänglich.
Anhand des Totenkultes wird vieles über die Lebensweise von Juden und Christen in der Antike deutlich. Insgesamt sind gut 2.050 Kilometer römischer Boden von Katakombengängen durchzogen. "Die Domitilla-Katakombe ist besonders, weil sie die einzige unterirdische Basilika besitzt", erklärt Hindrichs. "Sie wurde von Papst Damasus im 4. Jahrhundert geschaffen und im 19. Jahrhundert rekonstruiert."
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Bedeutend ist die Domitilla-Katakombe mit ihren 12 Kilometer langen Gängen auch deshalb, weil sie die erste Darstellung von Petrus und Paulus enthält. "Eine Malerei, die 1.800 Jahre alt ist", sagt Hindrichs. Die Katakomben-Gründerin Domitilla war verwandt mit Kaiser Vespasian und verbotenerweise Christin. "So wurde sie mit ihrem Mann auf die Insel Ponza verbannt", erklärt Hindrichs. Für die Bestattung ihrer Milchamme kaufte Domitilla ein Grundstück. Die ersten Beerdigungen erfolgten wie heutige Erdbestattungen. "Dann grub man hinunter, bis gut dreißig Meter, maximal vier Etagen."
Von der Domitilla-Katakombe geht es über römisches Pflaster zur Calixtus-Katakombe. Eine Schar Studenten der Universität Amsterdam hat sich unter einer Schirmpinie versammelt. Referate zum alten Rom werden gehalten.
Ein Jogger in Shorts trabt vorbei. Der Park über der Kalixtus-Katakombe ist gepflegt, die Sicht ist weit. Auf der freien Anhöhe befindet sich der Eingang in die Katakombe. Hier haben sich schon hunderte Besucher versammelt. In Kleingruppen geht es hinunter. Eine Schulklasse aus Brescia wartet zwischen weißen und roten Rosenstöcken. Die Lehrerin mahnt mit bestimmtem Ton: "Packt sofort eure Brötchen weg, es ist noch nicht Essenszeit." Über Lautsprecher wird die Gruppe aufgerufen und schon tauchen die Kinder aus Brescia in den christlichen Untergrund ein.
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Calixtus war im frühen 3. Jahrhundert Bischof von Rom, davor verwaltete er die Katakombe als Diakon. Andrea Hindrichs räumt auf ihrer Führung durch das feuchtkühlen Tuff mit einer in Rom kursierenden Legende auf: "Es besteht keinerlei Verbindung zwischen den einzelnen Katakomben, weil es in der Antike bei Todesstrafe verboten war, Straßen zu untergraben."
Auch eine Jugendgruppe aus dem polnischen Lodz schiebt sich durch die Gänge und bestaunt die Malereien, mit denen die Calixtus-Katakombe dekoriert ist. Ihr Begleiter, der Priester Matias Drewniak, ist sich sicher: "Für einige von ihnen wird das die Reise ihres Lebens sein."
Durch eine schmale Türe tauchen die touristischen Tiefenforscher wieder an die Oberfläche, blinzelnd taumeln sie dem Sonnenlicht entgegen. Fünf schwarzgekleidete Nonnen und ein Geistlicher mit grauem Vollbart und einem schweren goldenen Kreuz auf der Brust wärmen sich im römischen Frühherbst wieder auf. "Und jetzt empfehle ich", sagt Andrea Hindrichs, "die wunderbare Via Appia zu entdecken. Man kann ein Picknick machen oder sich im Cafe erfrischen."