Luzifers tausend Gesichter
Wenn ein Museum einer Person oder einem auch nur fiktiven Subjekt gewidmet wird, dann oft für gewisse Verdienste oder Taten. Jene Figur, die ein Museum in Litauens zweitgrößter Stadt Kaunas in den Mittelpunkt stellt, ist jedoch ganz und gar negativ besetzt. Sie gilt als das personifizierte Böse schlechthin.
Luzifer, Beelzebub, Satan, Fürst der Finsternis - der Teufel hat viele Namen. Und mindestens 3.000 Gesichter. Denn so viele Darstellungen seiner Person befinden sich in der Sammlung des "Velniu muziejus", des Teufelsmuseums, in Kaunas. Darunter sind Teufel aus Holz, als Marionettenpuppe, auf einem Kaffeeservice, zahlreiche afrikanische Masken mit Teufelsgesicht und sogar des Teufels Fingernägel. Zumindest sagt das, auf ein Exponat deutend, Museumsmitarbeiterin Daina Zozaite.
"In unserer Mythologie gibt es viele Teufel, das rührt aus unserer heidnischen Geschichte her", erzählt Zozaite. Weil das Christentum erst 1387 angenommen wurde, galten die Litauer als die letzten Heiden Europas. Noch bis ins 19. Jahrhundert gab es regional heidnische Rituale, berichtet die Expertin. "Wobei der Teufel bei unseren Heiden einer der Götter war, dessen Reich sich unter der Erdoberfläche befand."
So ranken sich viele baltische Legenden um den "Velnias", wie der Teufel in der Landessprache heißt. Selbst Perkunas, der mächtigste jener Götter und eine Art altbaltischer Zeus, habe sich vor Velnias gefürchtet. Gleichzeitig konnte er ihn mit seinen Donnern in Schach halten. Und so widmet sich gleich ein ganzes Stockwerk jenen Legenden über den "litauischen Teufel".
Wobei der Teufel in der Geschichte der Baltenrepublik oft auch ein deutsches Gesicht hatte. Das zumindest sagt die Vilniuser Ethnologin Egle Aleknaite. "Im 19. Jahrhundert haben wir uns vorgestellt, deutsche Händler seien reich, smart und deswegen auch hinterlistig", sagt Aleknaite und lacht. "Eben auf einen Handel oder Tausch aus, wie manchmal auch der Teufel."
Andere Völker, andere Teufel
"Es gibt aber nicht den einen Teufel", konstatiert Daina Zozaite beim Rundgang durch das Teufelsmuseums. Andere Völker, andere Teufel, so könnte man sagen: Satan hat auf japanischen Darstellungen ein europäisches Gesicht, und der afrikanische Luzifer wird als weißer Mann dargestellt. Beispiele, die auch das Museum zeigt.
Aber am "bösen Image" habe durchaus das Christentum einen Anteil, sind sich sowohl die Ethnologin Aleknaite als auch Zozaite sicher. Denn die christliche Religion, wie auch andere Glaubensrichtungen, personifizierten im Teufel das Böse. Der Anti-Christ, dessen Welt die Hölle sei, erklärt Aleknaite. "Seit der Reformation verliert der Teufel an Bedeutung, denn dann rückt die gute Seite des Glaubens in den Vordergrund. Die Liebe Gottes statt die Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer."
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Seit dem 20. Jahrhundert ist Satans "religiöse Bedeutung" nach Beobachtung Aleknaites fast gänzlich verschwunden. Luzifer sei heute "nur noch" eine kulturelle und künstlerisch inspirierende Figur, die reichlich oft in Filmen, in der Literatur und über die Jahrhunderte auf den Leinwänden dargestellt werde.
Hitler und Stalin
"Die Geschichte zeigt aber, dass wir eine Figur brauchen, die wir für jegliches Übel verantwortlich machen", sagt Aleknaite und zeigt passend dazu die Darstellung von zwei "realen Teufeln" der Vergangenheit: Hitler und Stalin tanzen auf einem Hügel aus Menschenschädeln den Totentanz. "Das waren die zwei für unser Land schrecklichsten Personen der Geschichte", erläutert Zozaite.
Dass die Kaunaser Sammlung entstanden ist, ist Antanas Zmuidzinavicius zu verdanken, einem litauischen Maler aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert. 1906 erhielt er einen "Velnias" als Schenkung und sammelte noch zu Lebzeiten fast 300 künstlerische Darstellungen von Luzifer. Rund 60 Jahre später wurden seine Gemälde zusammen mit der "satanischen Sammlung" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1982 waren es so viele Teufel, dass ein Anbau fällig wurde. Bei der Eröffnung des Museums sollen die Menschen Schlange gestanden haben.
"Geistliche habe ich bisher nicht in der Ausstellung gesehen", schmunzelt Museumsmitarbeiterin Zozaite. Vielleicht, weil sie nicht an jedem Öffnungstag in der Ausstellung sei. Im Museum jedenfalls kursiert die Anekdote, dass einst eine Touristengruppe in Kaunas war und sich eine Handvoll Priester ins Teufelsmuseum begeben habe. Als sie nach dem Grund gefragt wurden, gaben sie an, mehr über ihren Feind, den Teufel, erfahren zu wollen.