Jesuiten-Rektor zum kirchlichen Wissenschaftsverständnis

Wucherpfennig: Ich bin ja nicht der Einzige, der die Lehre kritisiert

Veröffentlicht am 25.10.2018 um 09:32 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Gestern wurde bekannt, dass der Vatikan doch noch das "Nihil obstat" erteilen könnte. Jetzt meldet sich der Jesuiten-Rektor erneut zu Wort und übt scharfe Kritik: Die Kirche würde die Freiheit der Wissenschaft einschränken.

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Der gewählte Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen in Frankfurt, Pater Ansgar Wucherpfennig, sieht die Freiheit der Wissenschaft durch die katholische Kirche eingeschränkt. Die Theologie könne nicht "nur Papstpredigten nachbuchstabieren", sagte er im Interview der "Zeit" (Donnerstag). Auf die Frage, ob die Kirche die Wissenschaftsfreiheit unterminiere, sagte Wucherpfennig: "Ja." Wissenschaft müsse verschiedene Positionen darstellen, die Lehre der katholischen Kirche also würdigen, aber auch kritikwürdige Punkte aufzeigen.

Die ausstehende vatikanische Bestätigung für Wucherpfennig sorgt seit Wochen für eine Debatte. Er hoffe, dass die Diskussionen um seinen Fall "Positionen in der Kirche verändern" könnten, so der Jesuit. "Den römischen Kongregationen muss das jetzt doch klar werden. Ich bin ja nicht der Einzige, der die römische Lehre kritisiert."

Die Theologie habe in Deutschland einen exzellenten Ruf, betonte Wucherpfennig. "Aber die Positionen der katholischen Kirche zur Homosexualität und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau unterscheiden sich doch ziemlich von den Ansichten, die in der Gesellschaft verbreitet sind." Entscheidend sei die Frage, wie die Kirche darauf reagiere: "Hält sie die Verbindung mit der Gesellschaft und ihren Institutionen? Oder zieht sie sich zurück, wird klein und entweltlicht? Meine Haltung dazu ist: Eine kirchliche Hochschule muss die gesellschaftliche Öffentlichkeit suchen."

"Fassungslos"

Wucherpfennig verteidigte seine Haltung in sexualmoralischen Fragen. Priester lebten in einer "Männergesellschaft", in der der Zölibat als selbstverständlich gelte. "Ich habe mich aber immer gefragt: Wieso ringe ich selbst so sehr damit? Mir wäre es leichter gefallen, wenn mir mal jemand gesagt hätte: Du, ich habe auch meine Schwierigkeiten."

Die Nachricht darüber, was ihm vorgeworfen werde, habe ihn "fassungslos" gemacht, fügte Wucherpfennig hinzu. Der Jesuit hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen geäußert. Das Ausbleiben der vatikanischen Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat") für eine weitere Amtszeit des Hochschulrektors hatte beim Jesuitenorden, dem Limburger Bischof Georg Bätzing und zahlreichen Theologie-Professoren für Unverständnis gesorgt und eine Welle von Solidaritäts-Bekundungen für Wucherpfennig ausgelöst.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass möglicherweise eine Lösung in der Causa Wucherpfennig in Sicht ist. Der Vatikan könne sich vorstellen, dem Rektor das "Nihil obstat" zu geben, wenn der Generalobere des Jesuitenordens, Arturo Sosa, die Verantwortung für dessen "Rechtgläubigkeit" übernimmt, berichtete die "Herder Korrespondenz" unter Berufung auf Kurienkreise. (tmg/KNA)