Der falsche Feiertag
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Leben Sie in Norddeutschland? Dann können Sie sich freuen – schließlich kommen Sie in der nächsten Woche in den Genuss eines neuen Feiertags. Nachdem der Reformationstag 2017 bundesweit einmalig als Feiertag begangen worden war, haben Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Laufe dieses Jahres entschieden, den 31. Oktober in ihren Ländern dauerhaft zu einem Ruhetag zu machen.
So sehr mich das für die Menschen in den vier Ländern freut – ich halte die Entscheidung für falsch. Immerhin ist der Reformationstag ein dezidiert evangelischer Feiertag; wenn man das Gedenken ernst nimmt, haben Katholiken, Juden und andere Gläubige an diesem Tag nichts zu feiern. Im Gegenteil: Für Katholiken ist der 31. Oktober vor allem eine schmerzhafte Erinnerung an die durch die Reformation ausgelöste Spaltung der Christenheit. Und Juden stören sich zu Recht am Antisemitismus Martin Luthers. Die Vorstellung, vor diesen Hintergründen einen Feiertag zu begehen, fällt mir schwer.
Darüber hinaus habe ich aber auch ganz grundsätzliche Bedenken gegen einen weiteren christlichen Feiertag. Das Deutschland des Jahres 2018 ist ein multireligiöses Land, in dem unzählige Religionen ihren Platz haben. Gleichzeitig ist die Bundesrepublik auch ein zunehmend säkulares Land; insbesondere die Zahl der Christen geht hierzulande seit langem zurück. Die Einführung eines christlichen Feiertags will da nicht mehr so recht in die Zeit passen.
Zumal es starke Alternativen gegeben hätte. Mit Blick auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung hätte sich zum Beispiel der 23. Mai angeboten. Der Tag, an dem 1949 das Grundgesetz verkündet wurde, steht wie kaum ein anderer für die demokratische Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik; trotzdem wird er nur wenig gewürdigt. Alternativ hätte man sich auch für den 17. Juni entscheiden können. Bis 1990 war dieser Tag, an dem 1953 der Volksaufstand in der DDR stattfand, schon einmal bundesweiter Feiertag, ehe er vom 3. Oktober abgelöst wurde. Würde man den 17. Juni als Feiertag wieder einführen, wäre das ein starkes Signal an die Menschen in der ehemaligen DDR und eine Wertschätzung für deren Biografien.
Und zuletzt: Was spricht eigentlich gegen den 9. November? Schließlich steht kein anderer Tag so eindrücklich für die widersprüchliche deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Aus der Erinnerung an diesen Tag – insbesondere in den Jahren 1918, 1938 und 1989 – ließe sich auch für die Gegenwart viel lernen. So oder so: Mit ihrem Votum für den Reformationstag haben die norddeutschen Länder eine große Chance vertan.