Gracias: Missbrauch soll in Synoden-Dokument nur am Rand vorkommen

Indischer Kardinal nimmt vertuschende Bischöfe in Schutz

Veröffentlicht am 26.10.2018 um 13:59 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Hat ein Bischof vor 20 Jahren sexuellen Missbrauch vertuscht, könne man ihn heute nicht dafür beschuldigen, meint Mumbais Kardinal Oswald Gracias. Immerhin habe man früher nicht gewusst, welche Spätfolgen das für die Opfer haben könne.

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Der indische Kardinal Oswald Gracias (73) hat sich besorgt darüber gezeigt, dass das Problem des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche zu viel Platz im Abschlussdokument der Jugendsynode einnehmen könnte. Vor allem Bischöfe aus westlichen Ländern machten bei der Synode "viel Aufhebens" um den Missbrauch, sagte Gracias am Freitag dem US-amerikanischen Internetportal "Crux". Um der Synode gerecht zu werden, könne man jedoch nicht sagen, dass dies das wichtigste Thema sei.

Zwölfköpfige Gruppe erstellt Abschlussdokument

Gracias ist Mitglied des Redaktionsteams für das Abschlussdokument der Jugendsynode. Die zwölfköpfige Gruppe unter Leitung des brasilianischen Kardinals Sergio da Rocha erstellt das Dokument auf der Grundlage des Arbeitspapiers der Synode ("Instrumentum laboris") sowie der jeweils mit absoluter Mehrheit angenommen Änderungsanträge der 14 Kleingruppen.

Das Abschlussdokument müsse in der gesamten Weltkirche akzeptiert werden und dürfe nicht nur den Bedürfnissen der USA, Irlands oder Australiens entsprechen, sagte Gracias weiter. Die Kirche in den drei Ländern hatte in den vergangenen Monaten in besonderer Weise mit Missbrauchsfällen durch Priester und Ordensleute zu kämpfen. Zwar sei das Problem des sexuellen Missbrauchs ein wichtiges Thema für die Kirche, aber es sei nicht so, dass die Synode viele Stunden darüber diskutiert habe, so der Erzbischof von Mumbai, der auch Mitglied im Kardinalsrat ("K9-Rat") ist, der Papst Franziskus bei der Reform der Kurie unterstützen soll.

"Ist es fair, einen 85 oder 86 Jahre alten Bischof zu beschuldigen?"

Mit Blick auf die Verantwortung von Bischöfen, die Fälle sexuellen Missbrauchs vertuscht hätten, sprach sich Gracias für "transparente Disziplinarverfahren" aus; zugleich zeigte er sich jedoch besorgt über die Gerechtigkeit solcher Verfahren. "Ich frage mich oft, ob es fair ist, einem Bischof, der heute 85 oder 86 Jahre alt ist, die Schuld dafür zu geben, was er als 65-Jähriger getan hat", so der Kardinal. In der Vergangenheit sei nicht bekannt gewesen, dass sexueller Missbrauch für die Betroffenen lebenslange Auswirkungen haben könne.

Mit Blick auf das von Franziskus für Februar angesetzte Treffen zum Thema Missbrauch mit den Leitern der Bischofskonferenzen in aller Welt zeigte sich Gracias gegenüber "Crux" alarmiert. Das Treffen dürfe nicht nur kosmetischer Natur sein. "Entweder wird es erfolgreich sein, oder es wird in einer Katastrophe für die Kirche enden", warnte der Kardinal. Vieles sei mit Blick auf das Treffen noch unklar; deshalb wolle er den Papst bei der nächsten Sitzung des "K9-Rates" im Dezember um Klärung bitten. (stz)