Filioque-Streit: Ändern die Anglikaner ihr Glaubensbekenntnis?
Die anglikanische Kirche könnte künftig auf die Formulierung "filioque" ("und aus dem Sohn") im Glaubensbekenntnis verzichten, das viele westliche und orthodoxe Kirchen trennt. Eine entsprechende Empfehlung hat die anglikanisch-orientalisch-orthodoxe Dialogkommission (AOOIC) in dem nun veröffentlichten Dokument "The Procession and Work of the Holy Spirit" ("Das Hervorgehen und das Werk des Heiligen Geistes") ausgesprochen.
In dem Text hält die Kommission fest, dass im ursprünglichen Text des Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel die Formulierung fehle, dass der Heilige Geist auch aus dem Sohn (lateinisch "filioque") hervorgehe und diese Ergänzung ohne die Billigung eines Ökumenischen Konzils erfolgt sei. Während die orthodoxen Kirchen diesen Zusatz schon immer ablehnen, habe die anglikanische Gemeinschaft aufgrund ihres Ursprungs in der lateinischen Kirche bisher daran festgehalten. In der anglikanischen Tradition werde das Filioque allerdings als "irreguläre Ergänzung ohne kanonische Rechtfertigung" betrachtet.
Schon länger in der anglikanischen Gemeinschaft umstritten
Das Dialogdokument wurde von der AOOIC bereits 2017 verfasst. Im Oktober 2018 wurde es unterzeichnet und nun anlässlich des jährlichen Treffens der Kommission im Libanon der Öffentlichkeit vorgestellt. Die AOOIC wurde 2001 eingerichtet, um Fragen der Christologie und Gotteslehre zwischen den Kirchen der anglikanischen Gemeinschaft und den orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu denen unter anderem die Kopten gehören, zu diskutieren.
Bereits zuvor wurden dabei gemeinsame Positionen zu zentralen Fragen des christlichen Glaubens erzielt. Mit den byzantinisch-orthodoxen Kirchen wurde bereits 1976 in der Übereinkunft von Moskau in ähnlichem Sinn eine Verständigung über das Filioque erreicht. Schon damals hatten die anglikanischen Mitglieder der Kommission empfohlen, das Filioque aus dem Glaubensbekenntnis der Anglikaner zu streichen. Auch die Lambeth-Konferenz, die Vollversammlung aller anglikanischen Bischöfe, hatte mehrfach die Mitgliedskirchen aufgefordert, auf den Zusatz zu verzichten. Diesem Beschluss sind aber nur einzelne Kirchen nachgekommen.
Großes Schisma trennt Kirche noch heute
Das Filioque ist eine der zentralen theologischen Streitpunkte, die zum "Großen Schisma" im Jahr 1054 geführt hatten, bei dem sich der Patriarch von Konstantinopel und der römische Papst gegenseitig exkommuniziert hatten. Neben dem Papstprimat ist das Filioque heute noch eine der Fragen, die eine volle Gemeinschaft zwischen römischer und Ostkirche verhindert. Erst 1965 hoben Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch Athinagoras die wechselseitige Exkommunikation auf.
Evangelische und römisch-katholische Kirchen verwenden den Zusatz bis heute im Großen Glaubensbekenntnis, während die alt-katholischen Kirchen das Filioque ablehnen. Seit dem Vierten Laterankonzil gilt der Zusatz in der katholischen Kirche als Dogma. Neuere Deutungen des Lehramts relativieren die Bedeutung des Filioque allerdings und öffnen so auch in der katholischen Kirche Wege hin zu einer engeren katholisch-orthodoxen Gemeinschaft. (fxn)