"Wer heute Kirchenmusik studiert, hat eine Jobgarantie"
Sie spielen Orgel, leiten Chöre, organisieren Konzerte und sorgen mit der Musik für einen wesentlichen und zentralen Bestandteil einer feierlichen Liturgie: Kirchenmusiker. Sie müssen vielseitig und flexibel sein, in kaum einem anderen Beruf sind zudem die Anforderungen so unterschiedlich und gehen musikalische und menschliche Fähigkeiten derart intensiv Hand in Hand. Doch: Es gibt immer weniger Interessenten, Stellen sind mitunter schwer zu besetzen. Wo Bewerber früher Schlange standen, kann man mittlerweile froh sein, wenn sich mehr als eine Handvoll Kandidaten bewerben.
Liturgie ohne Musik "unvorstellbar"
Auch Winfried Bönig beobachtet den Abwärtstrend: "Es mangelt nicht an Stellen, sondern an Bewerbern." Bönig ist Domorganist am Hohen Dom zu Köln, Professor für Orgel an der dortigen Hochschule für Musik und Tanz und bildet Kirchenmusiker aus. Zusammen mit seinem Kollegen bereitet er sie auf ihren vielfältigen Dienst in den Kirchengemeinden vor. Sie suchen dabei keine Supervirtuosen, sondern Allrounder - Musiker also, die sich der Chorarbeit mit Erwachsenen und Kindern ebenso gerne widmen wie dem liturgischen Orgelspiel, die auch mal ein Konzert spielen, aber auch ein offenes Singen im Altersheim veranstalten.
Den Mangel an Bewerbern sieht er durchaus mit einer gewissen Verwunderung, denn der Beruf des Kirchenmusikers ist in seinen Augen krisensicher: "Eine Liturgie ohne Musik ist unvorstellbar. Solange es die Kirche gibt, wird es auch Kirchenmusik geben." In Köln klagt man noch auf hohem Niveau, dort hat man mit 36 Studierenden eine der größten Kirchenmusikabteilungen Deutschlands. Doch sieht Bönig ein allgemeines Problem: "Das Image, das dieser Beruf hat, fördert nicht gerade die Bereitschaft, Kirchenmusik zu studieren." Manchmal werde Interessenten sogar von ihren Lehren von einem entsprechenden Studium abgeraten.
Das mit dem schlechten Image beobachtet auch Stefan Baier, Rektor der Hochschule für Kirchenmusik in Regensburg und Vorsitzender der Konferenz der Leiter der kirchenmusikalischen katholischen Ausbildungsstätten in Deutschland (KdL): "Die Frage ist ja: Woher kommen die Kirchenmusiker?" Das hänge auch mit der Sozialisation zusammen, das Image der Kirche sei derzeit nicht das Beste. "Immer weniger Menschen sind in der Kirche aktiv, unser Reservoir wird immer kleiner."
Die Konsequenz für ihn: Als Ausbildungsstätte müsse man versuchen, neue Wege zu finden, auf Leute zuzugehen, das Image der Kirchenmusik entstauben, Kontakte auch zu anderen, nichtkirchlichen Institutionen pflegen. "Auf dem Land ist das zweifelsohne noch schwieriger. Dabei hat man, wenn man dort erst mal tätig ist, alle Möglichkeiten. Gerade in ländlichen Regionen ist die Kirche ein wichtiger Kulturträger."
Was manchen Interessenten zusätzlich abschreckt: Viele Pfarreiangehörige, die sich etwa im Kirchenchor engagieren, sind bereits im Rentenalter. Ehrgeizige musikalische Ziele lassen sich mit diesen Laiensängern oft nicht mehr realisieren.
Um die Studenten, die sich dennoch zu einem Studium entschließen, macht sich Domorganist Bönig keine Sorgen. Viele arbeiten schon während des Studiums zumindest in Teilzeit in ihrem späteren Beruf, dadurch werde auch ein hoher Praxisanteil in der Ausbildung gesichert. So seien die Studenten gut qualifiziert, und hätten gute Berufsaussichten.
Davon ist auch Michael Krebs überzeugt. Er hat sein Kirchenmusikstudium weitgehend abgeschlossen und arbeitet derzeit als Assistent bei der Kölner Dommusik. Seine Erfahrung: "Jeder kommt irgendwo unter." Krebs hat den klassischen Werdegang eines Kirchenmusikers hinter sich: früher Klavierunterricht, kirchlich eingebunden, die Kirchenmusik bildete gewissermaßen die natürliche Schnittmenge. Daran hat er dann Gefallen gefunden, eine C-Ausbildung absolviert und schließlich seine Berufung zur Kirchenmusik entdeckt. "Hier arbeite ich mit Menschen, das ist viel kommunikativer, als immer nur alleine Orgel zu spielen."
Linktipp: Menschen mit Musik begeistern
Mit zwölf Jahren spielte er seine erste Messe, weil der Organist einfach nicht erschienen war: Sebastian Freitag ist Kirchenmusiker aus Leidenschaft. Im Dienst des Erzbistums Paderborn hat er sein Hobby zum Beruf gemacht.Ähnlich war es auch bei seiner Kommilitonin Anna Goeke. Auch sie kam über ein kirchliches Umfeld und eine C-Ausbildung zum Studium. Der Beruf sei musikalisch vielseitig, und vor allem komme man mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. "Kirche ist ein Ort, an dem man unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen verbinden kann." Nur sei es oft schwierig, Gleichaltrige dafür zu begeistern.
Ein großes Versprechen
"Es ist kein Gerücht, es ist so: Wir haben einen Fachkräftemangel", resümiert deshalb Stefan Baier. Dieser werde sich in den nächsten Jahren noch verstärken, schließlich stehe eine Pensionierungswelle an. Angehenden Kirchenmusikern macht er daher ein interessantes Versprechen: Das Studium sei zwar extrem anspruchsvoll und verlange eine große Breite, doch: "Wer heute Kirchenmusik studiert, hat eine Jobgarantie."