Standpunkt

Causa Wucherpfennig: Wenn aus Tabus offene Debatten werden

Veröffentlicht am 21.11.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Bischöfe treten für offene Debatten über ehemalige Tabuthemen ein, ein kritischer Theologe darf seinen Job behalten. Das gute Ende der Causa Wucherpfennig zeigt: Es bewegt sich etwas in der Kirche, kommentiert Pia Dyckmans.

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Das hätte es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben: Deutsche Bischöfe stellen sich hinter einen Wissenschaftler, der für einen humaneren Umgang mit Homosexuellen wirbt und wissenschaftliche Fragen an das Lehramt stellt.

Schauen wir kurz zurück: Anfang Oktober veröffentlicht der Kölner Stadt-Anzeiger, dass Ansgar Wucherpfennig SJ als gewählter Rektor der Hochschule Sankt Georgen sein Amt nicht antreten kann, weil bis dato das Nihil Obstat nicht vorlag. Begründung des Kölner Stadtanzeigers: "zu liberal für den Vatikan". Was folgte, war eine Überraschung. Nicht nur das mediale Echo war enorm, sondern auch die Welle der Solidarität. Die kam nicht nur aus der Gesellschaft, sondern aus verschiedensten Bereichen der Kirche bis hin zu Bischöfen. Neben dem Limburger Bischof Georg Bätzing stellen sich auch die Bistümer Osnabrück und Hildesheim vor den Theologen. Aus Sicht der Bistümer, die ihre Priesteramtskandidaten an der Hochschule Sankt Georgen ausbilden lassen, sei es durchaus legitim, dass pastorale Fragen offen diskutiert werden. Und mehr noch: Bis auf die ein oder andere Ausnahme blieb die Kritik an der Person Wucherpfennig und seiner Arbeit aus den rechtskonservativen Kreisen der Kirche aus.

Mir scheint, als würde sich die Atmosphäre in der Kirche ganz langsam (doch) verändern. Wir bekommen offenbar, wenn auch langsam, eine Debattenkultur, in der auch bisherige Tabu-Themen (Einschätzung von Homosexualität, Zölibat, Machtmissbrauch und die Rolle der Frau) angesprochen werden dürfen. Von Bischöfen sogar inzwischen eingefordert werden, wenn ich an Bischof Franz-Josef Overbeck aus Essen denke, der erst in dieser Woche gefordert hat: "Kirche muss katholische Sexualmoral weiterentwickeln". Das hätte es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben, dass selbst ein Bischof für offene Debatten eintritt. Diese Möglichkeit der Diskussion haben wir nicht zuletzt auch Papst Franziskus zu verdanken, der für eine hörende Kirche eintritt, auch wenn nicht alle Teile dieser Kirche das auch hören wollen.

Die Causa Wucherpfennig war für mich eine kleine Sternstunde der Kirche in Deutschland, nicht nur, weil er sein Amt inzwischen antreten durfte, sondern auch wegen der Reaktionen und der daraus gewonnenen Debatte über die Freiheit der Wissenschaft. Dabei müssen wir auch ehrlich bleiben. Sie war nur ein erster lokaler Schritt, aber wir sind an einem "Point of no Return" (Wucherpfennig) angekommen.

Von Pia Dyckmans

Der Autor

Pia Dyckmans ist Presse- und Öffentlichkeitsreferentin der Jesuiten in Deutschland und Schweden.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.