Benedikt XVI. wehrt sich: Bin nicht für Judenmission
In einem ungewöhnlichen Schritt bricht der emeritierte Papst Benedikt XVI. erneut sein Schweigen. Dabei wehrt er sich energisch gegen den Vorwurf, er habe sich für die Judenmission ausgesprochen und die Grundpfeiler des jüdisch-christlichen Dialogs infrage gestellt. "Diese Behauptung ist schlichtweg falsch", schreibt der 91-Jährige in einer "Richtigstellung" für die Dezember-Ausgabe der "Herder Korrespondenz". Unterzeichnet ist der Beitrag mit "Joseph Ratzinger - Benedikt XVI."
Es gehe nicht um Mission, sondern um Dialog, heißt es in dem Artikel, denn "Judentum und Christentum stehen für zwei Weisen der Auslegung der Schrift". Für Christen seien die Verheißungen an Israel die Hoffnung der Kirche, und "wer daran festhält, stellt keinesfalls die Grundlagen des jüdisch-christlichen Dialogs infrage".
Scharfe Kritik vom Wuppertaler Theologen Böhnke
Benedikt XVI. wehrt sich vor allem gegen einen Artikel des Wuppertaler Theologen Michael Böhnke in der September-Ausgabe der "Herder Korrespondenz". Böhnke hatte unter anderem geschrieben, Benedikt XVI. habe in einem im Juli veröffentlichten Aufsatz für die Zeitschrift "Communio" ein problematisches Verständnis zum Judentum bewiesen und das Leiden verschwiegen, das Christen Juden angetan haben. Weiter würde der emeritierte Papst "den durch Nostra aetate 4 überwunden geglaubten Antijudaismus – trotz aller Beteuerungen des Gegenteils – christologisch nur fortschreiben und zementieren". Dessen Aufsatz sei daher dazu geeignet, "mit der Legende aufzuräumen, dass Joseph Ratzinger ein großer Theologe genannt werden müsste".
Was Böhnke ihm vorwerfe, sei "grotesker Unsinn und hat nichts mit dem zu tun, was ich darüber gesagt habe. Ich weise deshalb seinen Artikel als eine in höchstem Maße unwahre Unterstellung zurück", so Benedikt, der in seiner "Richtigstellung" neben mehreren anderen theologischen Aspekten auch auf die heikle Frage der Judenmission eingeht. "Eine Mission der Juden ist nicht vorgesehen und nicht nötig", schreibt er wörtlich.
Für Israel gelte nicht Mission, sondern der Dialog
Mission in allen Völkern und Kulturen sei zwar der Auftrag, den Christus hinterlassen habe. Deshalb sei "der Missionsauftrag universal - mit einer Ausnahme: Eine Mission der Juden war einfach deshalb nicht vorgesehen und nicht nötig, weil sie allein unter allen Völkern den 'unbekannten Gott' kannten", so Benedikt. Für Israel gelte daher nicht Mission, sondern der Dialog darüber, ob Jesus von Nazareth "der Sohn Gottes, der Logos" ist, auf den - gemäß den an sein Volk ergangenen Verheißungen - Israel und, ohne es zu wissen, die Menschheit warte. Diesen Dialog neu aufzunehmen, sei "der Auftrag, den uns diese Stunde stellt".
Nach der kontroversen Debatte über seinen Aufsatz hatte es zunächst einen Briefwechsel zwischen Benedikt und dem Wiener Oberrabbiner Arie Folger gegeben. Darin äußerte sich der emeritierte Papst weniger deutlich. Folger bezeichnete Benedikts These, dass die Theorie von der Ersetzung des Alten durch den Neuen Bund nie Teil der Lehre der Kirche gewesen sei, als "ahistorischen Revisionismus, der das reale Leid ignoriert, das wegen der Doktrin von 'Verus Israel' Juden jahrhundertelang angetan wurde". Außerdem würde er in seinen Darlegungen nicht darauf eingehen, wie die "Substitutionstheorie" und die Rede vom "ungekündigten Bund Gottes" in der Theologie- und Kirchengeschichte zu bewerten sei.
In einer aktuellen Stellungnahme erklärte Böhnke, er habe Benedikt XVI. "keineswegs" des Antijudaismus "bezeichnet oder bezeichnen wollen". Ihm sei es um die Befürchtung gegangen, dass Dritte sich auf den früheren Papst berufen könnten. Er freue sich darüber, dass Benedikt XVI. sich "in der Frage der Judenmission nunmehr so eindeutig gegenüber jenen Dritten positioniert" habe. Wenn das, was er geschrieben habe, Benedikt XVI. zu seiner neuerlichen Äußerung bewegt haben solle, dann habe dieser Beitrag "seinen Zweck erfüllt", so Böhnke. (bod/KNA)
26.11., 19:40 Uhr: Ergänzt um aktuelle Stellungnahme Böhnkes. /rom