Koch zu Ökumene: Wieder etliche Differenzen bei ethischen Fragen
Was bedeuten die jüngsten Spannungen innerhalb der Orthodoxie für die Ökumene? Liegt der Dialog zwischen dem Vatikan und Moskau wieder auf Eis? Wie wirken das Reformationsgedenken 2017 und das "Lund-Event" weiter? Und welche neuen Projekte stehen an? Fragen, auf die der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, im Interview mit katholisch.de eingeht.
Frage: Die Russische Orthodoxie hat den Kontakt zum Patriarchat von Konstantinopel wegen dessen Anerkennung einer unabhängigen ukrainisch-orthodoxen Kirche abgebrochen – und hat sich auch aus der katholisch-orthodoxen Dialogkommission ausgeklinkt. Was bedeutet das für die ökumenische Arbeit?
Koch: Das russisch-orthodoxe Patriarchat hat entschieden, nicht mehr an Gremien teilzunehmen, die von Konstantinopel co-präsidiert werden. Das ist auch in unserer Internationalen Dialog-Kommission der Fall: Dort bin ich Präsident auf katholischer Seite und auf orthodoxer ist es Erzbischof Job in Chambésy, der Vertreter von Konstantinopel. Daher hat die russisch-orthodoxe Kirche bei der Sitzung unseres Koordinationskomitees im November in Bose gefehlt, als wir über die Fortsetzung des Dialogs beraten haben. Das ist natürlich zu bedauern. Das war übrigens schon einmal 2007 der Fall, als Konstantinopel die Kirchenstruktur in Estland akzeptierte. Damals nahm das Moskauer Patriarchat an der Vollversammlung der Kommission in Ravenna nicht teil. Allerdings besteht ein Beschluss der orthodoxen Kirchen, dass der Dialog weitergeführt wird, auch wenn eine Kirche nicht mit dabei ist. Die Arbeit in der Kommission mit den 13 übrigen orthodoxen Kirchen geht also weiter.
Frage: Herrscht damit zwischen dem Vatikan und Moskau Funkstille?
Koch: Nein. Unsere bilateralen Gespräche und Kontakte mit Moskau laufen natürlich weiter - genauso wie auch mit Konstantinopel. Wir begehen weiterhin den Jahrestag der Begegnung von Papst Franziskus mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill 2016 in Kuba. Der letzte fand 2018 in Wien statt. Auch für den 12. Februar 2019 ist wieder ein solches Treffen vorgesehen, vermutlich in Moskau.
Frage: Wie sehen Sie die kirchliche Lage in der Ukraine?
Koch: Der Vatikan bleibt hier strikt neutral, er bezieht keine Position. Natürlich ist das eine schwierige Situation, weil auch die eucharistische Gemeinschaft zwischen Moskau und Konstantinopel von Moskau her abgebrochen worden ist. Aber es handelt sich um eine innerorthodoxe Problematik, in die wir uns nicht einmischen – die uns aber natürlich beschäftigt. Und die wir im Gebet mittragen, damit eine Lösung gefunden wird.
Frage: Wie geht es im Dialog mit der Orthodoxie insgesamt weiter? Was haben Sie beim Treffen im ökumenischen Kloster Bose beraten?
Koch: Wir haben den Entwurf eines gemeinsamen Dokuments über "Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute" gemeinsam durchgearbeitet, sind mit der Lektüre aber nicht zum Abschluss gekommen. Es ist eine sehr komplexe Materie. Das Koordinationskomitee soll die Arbeit im November 2019 fortsetzen. Danach hoffen wir, soweit zu sein, wieder eine Vollversammlung einberufen zu können – möglicherweise 2020.
Frage: Hakt es also im theologischen Dialog?
Koch: Nein. Die Atmosphäre in Bose war positiv. Aber es ist ein schwieriges Unterfangen, 1.000 Jahre auf 25 Seiten so zusammenzufassen, dass beide Seiten sich wiederfinden. Der Wille ist da, weiterzuarbeiten. Und auch wenn die Thematik schwierig ist; sie ist unabdingbar, um weitere Schritte auf die Einheit hin zu tun.
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Die Themenseite gibt einen Überblick über die aktuelle Berichterstattung von katholisch.de rund um das Thema Ökumene.Frage: Ein Rückblick nach gut einem Jahr: Was ist vom Reformationsgedenken 2017 geblieben? War das "Lund-Event" ein Anstoß für einen neuen ökumenischen Aufbruch oder ein Strohfeuer?
Koch: Ein Strohfeuer ist es ganz sicher nicht gewesen. Es war höchst bedeutsam, dass Papst Franziskus selbst an dem gemeinsamen Reformationsgedenken in Lund teilgenommen hat, zusammen mit dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes. Die anschließende Vereinbarung in Malmö zur Zusammenarbeit von Caritas Internationalis und den Sozialen Werken des Lutherischen Weltbundes machte zudem deutlich: Es geht uns nicht nur um Theologie und Liturgie, sondern auch um eine intensivere Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet. Ich denke, dass das Reformationsgedenken sehr positiv war und Anstöße auch in die Zukunft hinein hat – und haben muss.
Frage: Zum Beispiel…
Koch: Ich hoffe, dass das Gedenken an 500 Jahre "Augsburger Reichstag" mit der Verabschiedung der "Confessio Augustana" im Jahre 2030 ebenso intensiv vorbereitet und begangen wird. Ich bin überzeugt, dass Protestanten und Katholiken in der Geschichte nie mehr so nahe beieinander waren wie damals in Augsburg. Die "Confessio Augustana" war nicht eine Schrift zur Festschreibung der Unterschiede, sondern der letzte Versuch, die Einheit zu retten - dank des großartigen Wirkens von Philipp Melanchthon. Gerade in Deutschland sollte man das Gedenken an den Augsburger Reichstag nochmals als Chance nutzen, hier weitere Schritte zu tun.
Frage: Und wie geht es jetzt unmittelbar weiter – nach 2017?
Koch: Es gibt zwei Projekte. Inzwischen haben sich der katholisch-lutherischen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 auch die Methodisten, die Reformierten und die Anglikaner angeschlossen. Wir werden im kommenden März eine Tagung in Amerika halten, um zu erkunden, was das bedeutet, dass diese gemeinsame Erklärung - ursprünglich nur mit dem Lutherischen Weltbund vereinbart - unerwartet eine größere Gemeinschaft um sich gesammelt hat. Wir wollen prüfen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Dann hatte die Erklärung zur Rechtfertigungslehre auch betont, dass damit die ekklesiologischen Fragen noch nicht geklärt sind. Deshalb habe ich bereits vor vier Jahren den Vorschlag gemacht, auf eine neue Gemeinsame Erklärung zum Thema "Kirche, Eucharistie und Amt" hinzusteuern. Die Initiative ist dankenswerterweise bereits von einigen Seiten aufgegriffen worden. In Amerika hat der lutherisch-katholische Dialog bereits ein Dokument dazu verabschiedet, ebenso in Finnland. Nun hoffe ich, dass wir im kommenden Jahr mit der Leitung des Lutherischen Weltbundes den Weg auf eine solche Gemeinsame Erklärung hin weiter besprechen können.
Frage: Als Gemeinsame Erklärung hätte sie dann wieder einen ähnlichen Rang wie das Rechtfertigungs-Dokument.
Koch: Es wäre schön, wenn das zu erreichen wäre. Aber ich spüre auch von lutherischer Seite einige Vorbehalte, dass dies zu hoch angesetzt sei. Aber meiner Ansicht nach wäre es ein wichtiger Schritt auf die Kirchengemeinschaft hin. Denn eine Gemeinsame Erklärung muss – anders als ein übliches Dokument einer Dialogkommission - offiziell von den Kirchenleitungen angenommen werden. Dialogtexte haben wir bereits viele – und Papier ist geduldig. Wenn sie nicht von den Kirchen rezipiert werden, können sie nicht den umfassenden Dienst leisten, den sie eigentlich leisten sollten.
Frage: Bei einem ökumenischen Gottesdienst 2017 in Hildesheim haben sich die beiden Kirchen zu einer besseren Kooperation auch in ethischen Fragen "selbstverpflichtet". Vor wenigen Wochen hat eine EKD-Erklärung zu Pränataldiagnostik deutliche Kritik der Deutschen Bischofskonferenz ausgelöst. Was bedeuten diese Differenzen für den ökumenischen Weg?
Koch: Sie sprechen ein grundlegendes Problem in der Ökumene an, dass wir heute etliche Differenzen bei ethischen Fragen haben. In den 1970er oder 80er Jahren lautete das Leitwort in der Ökumene "Glaube trennt, Handeln eint". Heute müsste man fast das Gegenteil sagen. Wir konnten viele Glaubensfragen klären, es sind aber neue Probleme auf ethischem Gebiet virulent geworden, vor allem bioethische Fragen. Die Ökumene muss sich auch mit diesen Fragen beschäftigen.
Frage: Kirche, Eucharistie und Amt - das Thema berührt ja auch die aktuelle Diskussion in Deutschland um einen Kommunionempfang für konfessionsverschiedene Ehepaare. Die deutschen Bischöfe konnten sich im Sommer nicht auf eine einheitliche und verbindliche Linie einigen. Eine Delegation hat dazu auch mit Vatikanvertretern beraten. Wie geht es hier weiter?
Koch: Papst Franziskus hat entschieden, dass dieses Dokument nicht als Dokument der Bischofskonferenz erscheinen, sondern eine Orientierungshilfe für die Bischöfe sein soll. Die Schwierigkeit ist allerdings, dass der Text gleich geblieben ist und sich wie ein Dokument der Bischofskonferenz liest. Wie das in Deutschland weiterbearbeitet wird, das müssten sie dort nachfragen.
Frage: Aber es ist ja auch in Rom anhängig. Es hieß, auch hier sollte nachgedacht werden.
Koch: Ja, aber momentan ist hier in Rom kein größeres Projekt in Arbeit.
Frage: Rom betont, das Thema müsse weltkirchlich bedacht werden. Welche weltkirchliche Relevanz hat dieses Problem?
Koch: Die in Aussicht gestellte Gemeinsame Erklärung über Kirche, Eucharistie und Amt zielt genau auf diese universalkirchlich zu klärende Frage. Man kann das Thema der Eucharistie nicht isoliert betrachten. Für katholisches Verständnis setzt Eucharistiegemeinschaft die Kirchengemeinschaft voraus, wohingegen Protestanten eher sagen, die Abendmahlsgemeinschaft sei ein Weg auf die Einheit hin. Deshalb muss das Verhältnis von Eucharistie- und Kirchengemeinschaft vertieft werden.
Frage: Sehen Sie die Chance für eine künftige Annäherung in den entscheidenden Fragen von Eucharistie- und Amtsverständnis, so dass eine wechselseitige Teilnahme möglich ist?
Koch: Das grosse Problem ist gewiss die Thematik des Amtes, bei der vor allem zwei schwierige Fragen zu behandeln sind: Auf der einen Seite das Papsttum, das auf katholischer Seite mit zur Amtsfrage gehört. Und eine Einheit ohne Anerkennung des Papsttums ist für uns Katholiken schwer möglich. Auf der anderen Seite haben wir das Problem und die Herausforderung durch die Ordination von Frauen als Pastorinnen und als Bischöfinnen, was für die katholische Kirche nicht möglich ist. Das sind große Erschwernisse, die uns aber nicht daran hindern sollten, diesen Weg weiterzugehen, und uns in den Grundfragen des Amtes anzunähern.