Ein satirischer Wochenrückblick von Alexander Brüggemann

Radio anlassen!

Veröffentlicht am 29.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ein Einbrecher, der in der Kathedrale zum Ausbrecher wird, Bulgaren in die Bundeswehr und ein 720-PS-Crash. Die Woche und das Jahr waren so absurd, dass Alexander Brüggemann kaum mehr hinterherkommt.

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"Wird's besser? Wird's schlimmer?, fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich." So schrieb Erich Kästner, nur scheinbar leichthin, in den 1920er Jahren. Für Europa wird 2019 wenn nicht lebensgefährlich, so doch zumindest ein ziemlich schwieriges Jahr.

Die Solidarität in der EU zerbröselt. Das Vereinigte Königreich wird wieder einfache Nordseeinsel – und selbst das funktioniert nicht richtig. Die Zugpferde Macron und Merkel lahmen, die Juncker-Kommission vor dem Absprung. In diesem trostlosen Tableau soll zum 1. Januar ausgerechnet Rumänien den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Dabei ist das politische Bukarest selbst ein Schlachtfeld.

Menschenrechte, Multilateralismus, Freihandel, demokratische Standards werden demontiert und ausgehöhlt. Populisten, Anstifter und Faktenerfinder gewinnen allenthalben an Boden. Beispiel gefällig? Erdogan am Freitag vor einer türkischen Jugendstiftung: "Tritt nicht weiter auf den Feind ein, wenn du ihn am Boden hast. Denn du bist kein Jude in Israel. Sie treten sogar auf am Boden liegende Frauen und Kinder ein."

Die Truppenursel hat auch neue Pläne. Um die Personalnot bei der Bundeswehr zu lindern, will Ministerin Ursula von der Leyen demnächst EU-Ausländer anwerben. Die Bundeswehr als Fremdenlegion? Bulgaren als "Staatsbürger in Uniform"? Vielleicht können sich demnächst nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz im EU-Recht auch Franzosen in die Bundeswehr einklagen. Das wäre doch mal eine schöne Antwort auf die "Erbfeindschaft" von einst.

Und was war noch? Bayern-Star Kingsley Coman (22) schrottet mal eben durch zu viel Gas seinen 720-PS-Mc-Laren auf der Autobahn – 200.000 Euro aus der Portokasse. Ein "typischer Aquaplaning-Unfall", wie der Club mitteilen lässt. Ein typischer Schnöselunfall! Sympathischer ist mir da mein Lieblingstropf 2018: In der Kathedrale von Chester wurde ein Einbrecher zum Ausbrecher. Der 50-Jährige fiel bei seinem Einbruchsversuch durch die Dachsparren und steckte über Stunden fest. Nach seinem Sturz aus neun Metern Höhe klaute er 45 Euro aus dem Opferstock und schlug dann ein historisches Fenster ein, um zu entkommen. Sachschaden: 15.000 Euro. Überführt wurde der Täter durch sein Trikot von Arsenal London, das die Überwachungskameras aufnahmen.

Ach – und die Mobilfunkabdeckung in Deutschland ist übrigens miserabel, wie ein Aachener Beratungsunternehmen für die Grünen ermittelte. Demnach rangieren deutsche Netze im europäischen Vergleich noch hinter Albanien. Also: zum Telefonieren einfach mal über die Grenze fahren. Aber womöglich ist zu viel telefonieren gar nicht gut für Menschen, für die der "Bergdoktor" und das Liebes-Aus von Helene Fischer um so viel wichtiger ist als das Töten und der Hunger im Jemen.

Vielleicht gibt am Ende die Liedzeile von Kettcar ("Trostbrücke Süd") ein bisschen Weisung: "Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser." Insofern: Bleiben Sie doch bitte auch 2019 am Apparat!

Von Alexander Brüggemann