Warum der Papst an Neujahr "blau" ist
Aufmerksamen Beobachtern der Neujahrsfeierlichkeiten im Vatikan ist es wohl in den vergangenen Jahren nicht entgangen: Während der kirchliche Kalender am Hochfest der Gottesmutter Maria weiß als liturgische Farbe vorsieht, trugen der Papst und weitere Priester Messgewänder mit blauen Applikationen – schon seit seinem ersten Jahreswechsel als Papst sind diese Stücke bei Franziskus zu Neujahr im Einsatz. Sein Vorgänger, Papst Benedikt XVI., trug zum selben Fest weiße Paramente mit goldenen Applikationen, eine häufigere Form, wie die liturgische Farbe weiß umgesetzt wird.
Blau sieht man dagegen heute selten auf Messgewändern, und auch bei Papst Franziskus scheint diese Kasel nur zum Marienfest am Jahresbeginn herausgeholt zu werden. Dabei gehörte blau einmal zum Kanon der liturgischen Farben und war im Mittelalter eine beliebte Farbe. Unzählige Belege zählt das "Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte" für Feste auf, an denen blau im Gottesdienst getragen wurde: vor allem Feste der Gottesmutter, heiliger Frauen und anderer Heiliger, aber auch im Advent und zu den Festen der unschuldigen Kinder, Kathedra Petri und Beschneidung des Herrn – dem Fest, das bis zur Liturgiereform am 1. Januar gefeiert wurde.
Papst Pius V. legt die heute gültigen Farben fest
1570 legte Papst Pius V. dann in seinem Messbuch die bis heute gültigen liturgischen Farben fest: weiß, rot, grün, violett, rosa und schwarz – aber eben nicht blau. (So wenig wie die ebenfalls gebräuchlichen gelb und grau.) Die vorhandenen blauen Paramente wurden trotzdem oft noch weiterverwendet. Heute noch ist vor allem im englischen Sprachraum entgegen der gültigen Regelung im Advent gelegentlich blau im Einsatz – wohl aufgrund des Einflusses anglikanischer und Episkopalkirchen, wo blau nach wie vor zum liturgischen Farbenspektrum gehört. Auch in den orthodoxen Kirchen wird die Farbe der Himmelskönigin zu Marienfesten getragen.
Katholiken haben unterdessen nichts unversucht gelassen, trotz des Missales von 1570 weiterhin blau zu tragen. Immer wieder wurden an die römische Ritenkongregation entsprechende Fragen gerichtet. Immer wieder kam das nein aus dem Vatikan, besonders deutlich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1864. Auf die Frage, ob man blau an Marienfesten anstelle von weiß verwenden könne, oder als Alternative zu violett, antwortete Rom kategorisch: "usum caerulei coloris, veluti abusum, eliminandum" – "Der Gebrauch der Farbe blau ist ein Missbrauch und abzuschaffen."
Ein spanisches Privileg
Dass der Papst zu Neujahr trotzdem blaue Akzente trägt, könnte mit seiner südamerikanischen Herkunft zu tun haben – und zwar nicht mit den beiden himmelblauen Streifen in der Flagge seines Heimatlandes Argentinien. Abweichend von der allgemeinverbindlichen liturgischen Farbenordnung darf in Südamerika an bestimmten Marienfesten blau getragen werden. 1864 hatte die Ritenkongregation dieses Privileg Spanien, seinen Kolonien – und damit zum Beispiel auch den Philippinen, wo heute noch gerne blaue Paramente zu Marienfesten getragen werden – und ganz Südamerika gewährt. Als Papst trägt Franziskus blau aber bisher sehr zurückhaltend. Außer an Neujahr sieht man ihn nur an Mariä Himmelfahrt mit blauen marianische Symbolen auf dem Messgewand.
Ausnahmeregelungen gibt es aber nicht nur in der spanischsprachigen Welt: Auch einzelne Marienwallfahrtsorte genießen blaue Privilegien: Ein wirklich blaues Messgewand – und nicht nur ein weißes mit blauen Applikationen – war etwa 2007 beim Österreichbesuch von Papst Benedikt XVI. in Mariazell, dem wichtigsten Marienwallfahrtsort der Alpenrepublik, zu sehen.
Der Papst darf anziehen, was er will
Bei der weißen Kasel mit dem blauen Streifen, die sein Nachfolger jedes Jahr an Neujahr trägt, ließe sich streiten, ob das vielleicht auch für Priester, die nicht Papst sind, als erlaubtes weißes Messgewand durchgehen würde. Aber es gibt auch noch andere Lücken: Die Allgemeine Einführung zum Messbuch gestattet es Bischofskonferenzen, "geeignete Änderungen vor[zu]nehmen, die den Erfordernissen und Bräuchen der einzelnen Völker Rechnung tragen" – die dann allerdings von Rom genehmigt werden müssen. Auch ist es erlaubt, zu festlichen Anlässen "wertvollere Paramente" zu verwenden, "auch wenn sie nicht der Tagesfarbe entsprechen".
Diese Umwege hat der Papst aber natürlich nicht nötig: Der verfügt, so steht es im Kirchenrecht, "kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann" – auch in der Sakristei des Petersdoms.
Dieser Text wurde am 30. Januar 2021 aktualisiert.