Was den FDP-Chef an Papst und Kirche stört

Christian Lindner: Bin kein Kirchenfeind, aber...

Veröffentlicht am 03.01.2019 um 13:52 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Mit 18 Jahren trat der FDP-Vorsitzende Christian Lindner aus der katholischen Kirche aus. Was ihn an der Institution stört und warum er Papst Franziskus für konservativ hält, sagt er jetzt in einem Interview.

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Christian Lindner (39), konfessionsloser FDP-Parteichef, betrachtet sich selbst nicht als "harten Atheisten oder gar Kirchenfeind". Er sei aber keiner, "der einmal im Jahr pro forma in die Christmette geht. Das brauche ich nicht", sagte Lindner im Interview der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag).

Auch eine "konservative Haltung" von Papst Franziskus "in bestimmten Glaubensfragen" störe ihn, so Lindner weiter. Die wirtschaftspolitische Position des Papstes halte er "für einen Rückfall hinter 'Centesimus annus' von Johannes Paul II." Die Sozialenzyklika von 1991 geht auf die Lage des Westens genauso ein wie auf die Situation von Entwicklungsländern. Die Aussagen von Franziskus seien dagegen "einzig geprägt aus der lateinamerikanischen Perspektive. Das finde ich fragwürdig für einen Führer der Weltkirche", so Lindner.

Die berühmte Frage des Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) - "Was dürfen wir hoffen?" - habe er für sich "recht skeptisch beantworten müssen", so der Politiker. Und weiter: "Ich würde mich über eine positive Überraschung nach dem Tod freuen. Sollte es keine geben, stört's mich auch nicht mehr."

Mit 18 aus der Kirche ausgetreten

Über seinen kirchlichen Werdegang sagte Lindner, dass er zwar zur Erstkommunion gegangen, aber nach seinem 18. Geburtstag aus der katholischen Kirche ausgetreten sei. "Es ist für einen naturwissenschaftlich interessierten Menschen wie mich eine Hürde, sich mit metaphysischen Fragen zu beschäftigen. Die Dogmen kommen noch dazu." Dennoch betrachte er Religion als wertvoll für die Gesellschaft. Sie sei "eine Quelle für Zusammenhalt, Sinn und Wertvorstellungen." Auch stehe es den Kirchen als gesellschaftlichen Akteuren frei, sich in politischen Fragen zu Wort zu melden.

Dennoch brauche die Gesellschaft einen "ethischen Minimalkonsens, der unabhängig von einer einzelnen Religion ist. Sonst fliegt der Laden auseinander", mahnte der Parteivorsitzende. Ein "Integrationskonsens", den sowohl säkulare als auch religiöse Bürger für sich begründen könnten, müsse dem Christentum gleichwohl nicht widersprechen.

Papst Franziskus im Vatikan.
Bild: ©Stefano Spaziani/Romano Siciliani/KNA

Papst Franziskus hat laut Christian Lindner eine teils zu konservative Haltung.

Lindner hält zudem "jede Form der Symbolpolitik mit religiösen Zeichen" für gefährlich. Er sei dafür, dass Bestehendes bleiben könne. Das könne etwa für ein Kreuz gelten, das seit Jahrzehnten in einem Gerichtssaal hänge. "Zugleich ist mir wichtig, dass niemand das Gefühl hat, in der vielfältigen und toleranten Gesellschaft wird ihm etwas weggenommen."

Diskussionen wie jene um den bayerischen Kreuzerlass oder über den Lebensschutz seien "Bypässe", erklärte Lindner. "Es gibt eine identitäre Konfliktlinie in der Gesellschaft, die durch die Migrationsfrage offenbar geworden ist. Und statt die Migrationsfrage einfach zu lösen, durch ein weltoffenes, zugleich steuerndes Einwanderungsgesetz, werden andere Fragen kompensatorisch hochgezogen."

Kritik an der CDU

Kritik übte der FDP-Chef in diesem Zusammenhang an der CDU: "Ich sehe da restaurative Tendenzen." Er glaube nicht, dass alle diese Form von Konservatismus wollten, "auch nicht alle Christinnen und Christen".

Zur Debatte um das Kopftuch sagte der Parteivorsitzende, Amtspersonen wie Lehrerinnen sehe er in der "Pflicht zur Zurückhaltung. Auch zum Beispiel ein offen getragenes Abzeichen einer demokratischen Partei würde ich bei einem Lehrer für inakzeptabel halten." Im Hinblick auf Vollverschleierung ergänzte Lindner, bei Anlässen wie Elternsprechtagen oder Behördengängen müsse Gesicht gezeigt werden. Auch beim Schwimmunterricht dürfe es "keinen Opt-Out geben aus religiösen Gefühlen heraus".

Das Kopftuch für Schülerinnen sei "eine Frage der Religionsfreiheit, die man staatlicherseits nicht einschränken kann". Sinnvoll könnten Empfehlungen etwa in der Hausordnung einer Kita oder Grundschule sein, so Lindner. Diese könnten in konkreten Fällen mit Eltern unter Hinzuziehung eines Imams besprochen werden. (tmg/KNA)