Standpunkt

Christen können politische Horizonte eröffnen

Veröffentlicht am 07.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ In diesem Jahr stehen in Ostdeutschland drei Landtagswahlen an, die das gewohnte politische Gefüge sprengen könnten. Gerade in dieser Situation müssen auch Christen den besorgten Bürgern zuhören, findet Thomas Arnold. Dabei können sie die Sehnsucht nach Demokratie neu wecken.

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Das Jahr hat begonnen und die politische Herzkammer der Republik schlägt bei den drei Landtagswahlen ab September hektischer: Brandenburg, Thüringen und Sachsen werden ihre Mandatsträger neu bestimmen. Keine großen Bundesländer, aber Landstriche, bei denen Meinungsumfragen schon jetzt vermuten lassen, dass das bisher gewohnte Parteiengefüge noch mehr ins Wanken gerät. Die evangelische Landesbischöfin Junkermann forderte angesichts der Wahlergebnisse zuletzt, der Osten brauche mehr Zeit, um die Demokratie zu üben und sieht großen Nachholbedarf für die Menschen in den Neuen Bundesländern. Vermutlich vergrößert eine solche Aussage eher den Graben zwischen jenen, die Verantwortung tragen und denen, die sich regiert fühlen. Denn die wenigsten, die in Brandenburg, Thüringen und Sachsen leben, würden von sich behaupten, sie hätten demokratische Prozesse nicht verstanden. Ihre eigene biografische Erfahrung hat sie gelehrt: Demonstrationen auf der Straße und eine Stimme auf einem Wahlzettel können ganze Systeme zu Fall bringen.

Auch wenn manche Menschen eine Analogie zwischen dem Ende der 1980er Jahre und heute sehen – mitnichten gibt es Parallelen. Die Parlamente sind frei und geheim gewählt, eine Gewaltenteilung vorhanden und die Freiheit aller Menschen entscheidende Grundlage.

Trotzdem zweifelt nach einer neusten Umfrage fast die Hälfte der Menschen im Osten an der Stabilität des politischen Systems. Vielleicht liegt dahinter die schon beschriebene Erfahrung, dass fast über Nacht aus Gewinnern Verlierer werden können. Andererseits könnte es aber auch sein, dass für einen ganzen Landstrich die Demokratie ansich gut ist, aber die über Jahrzehnte hinweg eingeübten, ihr innewohnenden Prozesse und deren zugrundeliegenden Narrative fremd sind.

Natürlich kann sich eine ganze Republik in den kommenden Monaten zum "Erklärbären" machen und den Menschen erläutern, warum es gerade jene Prozesse braucht und diese oder jene Narrative unser Land prägen. Vielleicht ist aber gerade jenes Phänomen der Ort, an den Kirche hier und jetzt gehört – weil die Zeichen der Zeit genau an dieser Stelle ablesbar werden. Und ihre eigenen Narrative ermöglichen, gemeinsam neue Horizonte zu eröffnen.

Das setzt die Bereitschaft voraus, zum Anderen zu gehen und seine Erfahrungen zu ertragen. Es wird spannend, wie das "SachsenSofa", das heute vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Bischof Heinrich Timmerevers vorgestellt wird, in den kommenden Monaten in kleinsten Kommunen des Freistaats die Debatte um die Herausforderungen und die Zukunft des Lands anschieben wird. Immerhin treffen Menschen wie Norbert Lammert oder Wolfgang Bosbach auf Vereinsvorsitzende der Lausitz, Lehrerinnen aus dem Erzgebirge und Bürgermeister aus dem Leipziger Norden. Nicht erklären, sondern voneinander hören, ist das erklärte Ziel des Projekts.

Das kann zum Beispiel für das Miteinander im Kleinen werden: Denn jeder Dialog fordert den Mut, den eigenen Standpunkt mit Argumenten einzubringen. Und es verlangt Veränderungsbereitschaft, weil keiner aus dem Gespräch herauskommt, wie er hineingekommen ist. Im dreißigsten Jahr des Mauerfalls geht es nicht darum, Demokratie neu zu lernen, sondern eine hoffnungsvolle Sehnsucht für ein Miteinander in diesem Land zu wecken. Wer, wenn nicht Christinnen und Christen, können hierfür gewinnbringende Gesprächspartner sein. Auch wenn die Sternsinger gerade wieder abgezogen sind – der Stern von Bethlehem gehört in die Debatte unseres Landes.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Thomas Arnold ist Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.