Panama: Alles andere als ein Paradies
Als 2016 beim Weltjugendtag in Krakau das gastgebende Land des kommenden Glaubenstreffens verkündet wurde, war besonders unter deutschen Jugendlichen die Freude groß. Denn Panama ruft bei den meisten Deutschen vor allem nostalgische Erinnerungen an ihre Kindheit hervor. Anspielungen auf das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama" des Autors Janosch machten unter den Katholiken schnell die Runde. Doch wenn die 2.300 deutschen Jugendlichen in diesen Tagen in Panama eintreffen, werden sie – anders als die Tigerente und ihre Begleiter – kein traumhaftes Paradies vorfinden.
Panama hat viele Probleme: Es ist nach Brasilien das Land Lateinamerikas, in dem die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich am breitesten ist. Ein Viertel der vier Millionen Panamaer lebt unterhalb der Armutsgrenze. Davon betroffen sind besonders die indigenen Ureinwohner des Landes, von denen über 90 Prozent als bedürftig gelten. Korruption, Teenager-Schwangerschaften und Drogenkriminalität sind nur einige der Probleme, die die Politik vor große Herausforderungen stellen. Die vielen Flüchtlinge aus Venezuela oder Nicaragua, die derzeit in Panama sind, verschärfen die Situation zudem. Doch eine staatliche Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen gibt es in Panama nicht – und das trotz der milliardenschweren Einnahmen durch den Panama-Kanal und die zahlreichen im Land ansässigen Banken.
WJT-Teilnahmebeitrag kaum bezahlbar
Für viele junge Panamaer hingegen ist es bereits nicht leicht, den ermäßigten Teilnahmebeitrag von 50 US-Dollar für den Weltjugendtag im eigenen Land zu zahlen. So auch für Jeroncio Osorio. Der 19-Jährige ist vor zwei Jahren aus seinem Geburtsort auf dem Land nach Panama-Stadt gezogen, um dort Verwaltungswesen zu studieren. "Das ist wirklich viel Geld für mich", gibt er zu. Jeroncio wünscht sich, dass die jungen Pilger aus aller Welt eine schöne Zeit in Panama verbringen. Auch wenn das in der Hauptstadt nicht leicht sei: "Es gibt zu viele Autos, die Straßen sind schlecht und es ist meist nicht sauber."
Zudem müsse man in einigen Vierteln der 800.000 Einwohner zählenden Panama-Stadt besonders vorsichtig sein. "Es gibt immer mehr Banden, die Menschen am helllichten Tag auf der Straße überfallen", so Jeroncio. Panamas Präsident Juan Carlos Varela hat anlässlich des Weltjugendtags angekündigt, gegen die weit verbreiteten Taschendiebstähle hart vorgehen zu wollen. Wer einen Pilger überfällt, soll bis zu 18 Jahre ins Gefängnis kommen. Für den Opus-Dei-Anhänger Varela ist das Glaubensevent im eigenen Land ein Prestigeprojekt: Es soll ein Höhepunkt zum Abschluss seiner bald endenden Amtszeit sein und die fragwürdigen Geschäfte der Offshore-Dienstleister vergessen lassen, die 2016 durch die Panama-Papers ans Licht gekommen sind.
Jeroncio hält die Politiker seines Landes für scheinheilig: "Weil Tausende Gäste ins Land kommen, wird etwas gegen die Kriminalität getan, ansonsten passiert aber nichts." Nur zu gerne würde er Papst Franziskus treffen, wenn er zum Weltjugendtag in Panama ist. "Dann sage ich ihm, dass das, was er in Panama sieht, nicht die Realität ist." Um die Wirklichkeit Panamas kennenzulernen rät Jeroncio den erwarteten 150.000 Teilnehmern aus aller Welt, wenigstens für einen Tag die Hauptstadt zu verlassen und aufs Land zu fahren, etwa in die Region Kuna Yala, aus der er stammt. "Dort können sie das Volk der Kuna treffen, mein Volk", sagt er stolz.
Die Kuna gehören zu den indigenen Ethnien Panamas. Etwa 100.000 gibt es von ihnen noch, doch wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage müssen viele ihre Region an der Atlantikküste verlassen und in Panama-Stadt oder anderen Großstädten Arbeit suchen. "Der Staat kümmert sich nicht um uns, sondern investiert lieber in die Wirtschaft oder den Kanal", kritisiert Jeroncio die Politik der Regierung. Die Kuna haben jedoch ein weiteres Problem: Der Klimawandel lässt den Wasserspiegel ansteigen und gefährdet viele der zahlreichen kleinen Inseln, die von den Indigenen bewohnt werden.
Hoffnung in der Religion
Hoffnung finden sie in dieser schwierigen Situation in der Religion. Die meisten Kuna sind katholisch, praktizieren aber auch die religiösen Bräuche ihrer Vorfahren. "Beide Religionen ergänzen sich: Sie sind wie zwei Beine", sagt Jeroncio. Das sehe auch der für die Region zuständige Bischof so, der erlaube, dass in den Gottesdiensten Stellen aus dem heiligen Buch der Kuna vorgetragen werden, die von der "Mutter Erde" sprechen. Zudem gebe es einige Parallelen zwischen beiden Religionen: "Auch in unserem ursprünglichen Glaube spielen ein Schöpfer und zwölf Apostel eine große Rolle."
Jeroncio möchte seine Kultur während des Studiums in der westlich ausgerichteten Hauptstadt nicht verlieren. Deshalb trifft er sich dort mit anderen Jugendlichen seines Volkes, um in der Muttersprache zu reden und von einer Weisen der Kuna zu lernen. Das sei nötig, denn die Kuna sähen sich als Minderheit von der Gesellschaft bedrängt. "Nur wenn wir kämpfen, bleiben wir bestehen", ist Jeroncio überzeugt. Papst Franziskus ist seiner Meinung. Erst vor kurzem rief der Pontifex junge Indigene dazu auf, den "Jahrtausende alten Reichtum der eigenen Kultur" zu leben. Eine Botschaft, die auf dem Weltjugendtag in Panama eine große Rolle spielen wird.