Kabarettist Konrad Beikircher: Das ist das Katholische im Karneval
Karneval ist Rheinland pur: Kamelle, Kostüme und Küsschen-geben herrschen dann überall zwischen Köln, Düsseldorf und Aachen. Der Kabarettist Konrad Beikircher kam vor Jahrzehnten aus Südtirol ins Rheinland, ist mit Überzeugung geblieben und begreift sich heute als Botschafter des rheinischen Lebensgefühls und damit auch des Karnevals.
Frage: Wenn jemand zu Ihnen käme, der noch nie etwas von Karneval gehört hätte: Wie würden Sie das "Lebensgefühl Karneval" auf den Punkt bringen?
Beikircher: Das "Lebensgefühl Karneval" ist der alte Traum der Menschen, einmal im Jahr für ein paar Tage ein anderer zu sein. Das tut gut, das macht Freude und das ist Balsam für das Zusammenleben.
Frage: Sie sind als Südtiroler im Rheinland selbst ein "Imi". Hat Sie der karnevalistische Anarchismus auch schonmal erschreckt?
Beikircher: Nicht die karnevalistische Anarchie, wohl aber die Menschenmassen. Das hat allerdings mit Karneval nichts zu tun, Massen haben mich immer schon erschreckt. Die karnevalistische Anarchie finde ich wunderbar.
Frage: Funktioniert Karneval in Ihrer Südtiroler Heimat auch so gut?
Beikircher: Völlig anders als im Rheinland, aber dennoch gut. Die Kinder "laufen Maschkera", also verkleidet und dem Ganzen hängt noch ein bißchen was Archaisches an: Winter vertreiben!
Frage: Sie nennen die Rheinländer "chromosomal katholisch" – dass sich also auch diejenigen katholisch verhalten, die es laut Taufschein eigentlich gar nicht sind. Woran merkt man das?
Beikircher: Es ist einfach die rheinische Grundeinstellung zum Leben. Katholisch bedeutet nämlich auch: diesseitig, fröhlich, lebensnah und den Mitmenschen zugetan. Außerdem bedeutet es, voller Zuversicht ins Leben zu schauen. Das ist katholisch – und rheinisch!
Frage: Wie zeigt sich dort auch die recht liberale und praktische Handhabe alles Katholischen durch die Rheinländer?
Beikircher: Naja, wenn der Kardinal schon bei Predigten anfängt Witze zu erzählen…
Frage: Im Karneval trifft der Spott auch gerne die Kirche. Ist das ein Gegensatz zu den "katholischen Genen" der Rheinländer?
Beikircher: Natürlich nicht. Spott ist ja nicht per se was Böses, im Gegenteil: Spott ist eine witzige Form der Rückmeldung, der Spiegelung, des Feedbacks. Spott hilft dem Verspotteten, sich von außen sehen zu können. Dass es – wie immer auf dieser Welt – auch die negative, ätzende Seite des Spotts gibt – was ja auch Jesus bitter erfahren musste – , ist traurig, aber so ist es halt.
Frage: Nun geht auch in Aachen, Düsseldorf und Köln die Zahl der Kirchenmitglieder zurück. Verändert sich da etwas in der eigentlich locker-zugewandten Einstellung der Rheinländer der Religion gegenüber?
Beikircher: Es verändert sich schon was, aber ich denke, das hat mit all den Missständen in der Kirche zu tun, die in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gekommen sind. Das Bedürfnis nach Religion ist enorm, leider hat die Kirche da unglaublich viel Vertrauen verspielt. Wenn ich sehe, was die Esoteriker und Spirituellen, die "Geisterseher" gegen die schon Kant, Schleiermacher und Schiller zu Felde gezogen sind, für einen Zulauf haben, wird mir schlecht. Die Kirche muss sich von vielem trennen, was historisch gewachsen ist, wenn sie wieder bei den Menschen sein will.
Frage: Alle reden heute von Globalisierung und dem Verlust von Identität. Was glauben Sie: Wird es den Karneval noch im nächsten Jahrhundert geben?
Beikircher: Aber sicher doch! Karneval ist ein Überlebensmittel für alle Menschen. Karneval gibt es deshalb nicht nur im Rheinland, es gibt ihn auf der ganzen Welt. "Eemol em Johr" alles Gewohnte abwerfen und frei sein – das wird immer Konjunktur haben!