Theologin rechnet nicht mit schnellen Veränderungen

Missbrauchsopfer Wagner über Kirche: "Echter Wille" zu Umkehr

Veröffentlicht am 09.02.2019 um 14:56 Uhr – Lesedauer: 
Doris Wagner
Bild: © Privat

Wien ‐ Das Gespräch mit dem Wiener Kardinal Schönborn habe ihr Hoffnung auf Veränderungen in der Kirche gegeben, gibt die Theologin Doris Wagner zu. Doch das Missbrauchsopfer glaubt, dass die eingefahrenen Strukturen der Kirche einen Wandel verhindern werden.

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Einen "echten Willen" zur Umkehr und "viel echtes Engagement", um Dinge in der Kirche zu ändern, erkennt die Theologin Doris Wagner bei vielen in der Kirche. Erfahrungen wie das jüngste Gespräch mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn zum Thema Missbrauch gäben ihr Hoffnung, sagte das Opfer sexuellen Missbrauchs am Freitagabend in der ORF-Sendung ZIB 2. Anlass war das Aufsehen erregende Gespräch der in Deutschland lebenden Theologin mit Schönborn, das am Mittwochabend erstmals im Bayerischen Rundfunk gezeigt worden war.

Trotz solcher Hoffnungszeichen glaube sie aber nicht, dass sich absehbar vieles in der Kirche ändern werde, räumte Wagner ein. Dem stünden vor allem kirchliche Strukturen und überkommene Rollenbilder entgegen: "Die Kirche ist eine absolute Monarchie, ohne Gewaltenteilung, ohne Kontrolle und demokratische Legitimation", so die Theologin. Ähnlich den europäischen Monarchien im 19. und 20. Jahrhundert sehe sie diese Strukturen derzeit zusammenbrechen. "Die Kirche ist da 100 bis 150 Jahre später dran", sagte Wagner. Wünschenswert sei ein gleichberechtigter Ämterzugang "auf allen Ebenen".

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Die frühere Ordensfrau in der Gemeinschaft "Das Werk" sagte weiter, dass es die Kirche "den Opfern oft schwer macht zu sprechen". Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass die Kirche ihnen "ein Zuhause" sei, das man nicht gerne angreife oder preisgebe. Wo kirchliche Verantwortungsträger angesichts dieser Situation dennoch eine Abwehrhaltung einnähmen, statt zuzuhören, machten sie es den Opfern noch schwerer.

Unmittelbares Verbesserungspotenzial sieht Wagner bei der Anwendung des Kirchenrechts. Bei den Recherchen zu ihrem aktuellen Buchprojekt, das sich geistlichem Missbrauch widmet, sei sie auf zahlreiche Fälle gestoßen, in denen schlicht die kirchenrechtliche Vorgabe einer Trennung von spiritueller und formaler Leitung etwa einer Gemeinschaft nicht beachtet worden sei. Diese wichtige Norm zu missachten, so Wagner, sei an sich bereits eine gefährliche Form von Missbrauch. (KNA)