Strukturreform im Erzbistum Freiburg

Freiburger Diözesanrat: "Viele fühlen sich vor den Kopf gestoßen"

Veröffentlicht am 20.02.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Freiburg ‐ Durch das Erzbistum Freiburg geistert eine Zahl: Auf nur 40 Pfarreien sollen nach dem Willen der Bistumsleitung die bisher über 200 Seelsorgeeinheiten zusammenschrumpfen. Martina Kastner, die Diözesanratsvorsitzende ist alles andere als begeistert. Im Interview kritisiert sie das Konzept und seine Entstehung.

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Erst vor gut zwei Wochen hat der Freiburger Diözesanrat der Katholiken von dem Konzept "Kirchenentwicklung 2030" erfahren, mit dem die Bistumsleitung die Diözese neu strukturieren will. Eingebunden in die Entstehung des Konzepts waren die Laien nicht. Entsprechend viele Vorschläge zu dessen Verbesserung macht die Diözesanratsvorsitzende Martina Kastner jetzt.

Frage: Frau Kastner, das Erzbistum Freiburg steht vor gravierenden Einschnitten. Wie war die Stimmung am Wochenende bei der Pastoralkonferenz?

Kastner: Es lag schon eine Spannung im Raum. Viele Delegierte sind mit großer Sorge gekommen, was das Konzept "Kirchenentwicklung 2030" in der Praxis konkret bedeutet und wie es sich überhaupt umsetzen lässt. Das war in Arbeitsgruppen und Pausengesprächen zu spüren, und zwar über alle Ebenen hinweg – ob bei Ehrenamtlichen oder Hauptamtlichen, Geweihten oder Laien. Von einigen Priestern kam auch der Einwand, dass sie gar nicht ausgebildet sind, eine solche riesige Einheit zu leiten. Priester sollen ja künftig einen Verantwortungsbereich haben, der so groß ist wie ein Dekanat. Ihnen soll zwar eine Geschäftsführung zur Seite gestellt werden, aber trotzdem brauchen sie dann auch einen unternehmerischen Blick. Eine weitere Sorge war auch, wie es weitergehen soll mit dem ehrenamtlichen Engagement. Wer will sich unter den Bedingungen solcher riesiger Großpfarreien überhaupt noch zur Wahl stellen für den Pfarrgemeinderat?

Martina Kastner im Porträt
Bild: ©Dioezesanrat Freiburg/Martina Kastner

Martina Kastner ist die Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Freiburg.

Frage: Welche Forderungen hat der Diözesanrat in dem Konsultationsprozess, der jetzt beginnt?

Kastner: Bisher ist vorgesehen, dass die Leitung einer solchen großen Kirchengemeinde bzw. Pfarrei weiterhin ein Priester übernehmen muss, also ein geweihter, zölibatär lebender Mann. Das wollen wir angesichts der immer enger und enger werdenden Personaldecke doch infrage stellen. Es hat sich schon bei der Pastoralkonferenz gezeigt, dass der Verweis auf die Weltkirche hier nicht mehr zu halten ist. Viele Delegierte stellten die Fragen nach der Abschaffung des Zölibats und dem Zugang von Frauen zu allen Ämtern. Auch an diesen Grundfesten müssen wir jetzt rütteln. Ob dann die derzeitigen personellen Engpässe überwunden wären, dafür will ich keine Prognose abgeben. Mir geht es vielmehr um die Glaubwürdigkeit von Kirche. Es ist nicht mehr zu vermitteln, warum es in der Ämterfrage keine Öffnung gibt. Was die Beteiligung von Frauen angeht, würden sich manche mehr Mut von Erzbischof Burger wünschen. Sicherlich sind die Frauen - gerade durch die Frauenverbände – an diesen Themen dran und tragen es auch auf weltkirchlicher Ebene vor, aber wir brauchen die Unterstützung der Bischöfe. Doch unser Erzbischof ist nun mal Kirchenrechtler durch und durch. Was an Reformen kirchenrechtlich möglich ist, das wird er machen, aber nicht mehr. Zum Kirchenrecht gab es am Wochenende übrigens den guten  Hinweis einer Delegierten, das Recht habe den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. Darüber sollten wir auch mal ins Gespräch kommen: Inwiefern muss sich das Kirchenrecht weiterentwickeln, nicht um mit dem 'Zeitgeist' zu gehen, sondern um die Lebenswirklichkeit heutiger Menschen auch rechtlich abzubilden?

Frage: Der Diözesanrat hat am Wochenende auch demokratischere Strukturen gefordert. Wie könnten die konkret aussehen?

Kastner: Es geht darum, wer letztendlich entscheidet, wie die "Kirchenentwicklung 2030" tatsächlich umgesetzt wird. Im Moment wird hier viel diskutiert, das Papier der Bistumsleitung soll in den Räten und Gremien besprochen werden, zum Teil auch auf eigens zu diesem Thema einberufenen Veranstaltungen. Aber was dann mit den Diskussionsergebnissen – auch den Anmerkungen und Empfehlungen der Pastoralkonferenz vom Wochenende – passiert, ob das wirklich einfließt, das ist nicht klar. Wir wollen aber Demokratie nicht nur im Sinne von Mitreden, sondern im Sinne von echter Teilhabe. Wir haben hier zwar synodale Strukturen, aber bisher keine echte Diözesansynode, so wie das im Bistum Trier im Vorfeld der dortigen Strukturreform der Fall war.

Frage: Wie bewerten Sie die Kommunikationsstrategie des Bistums – geht die auf?

Kastner: Es haben sich schon viele – auch ich – vor den Kopf gestoßen gefühlt. Wir haben den Entwurf des Papiers zwar vor gut zwei Wochen zugeschickt bekommen, zu diesem Zeitpunkt war er aber auch schon öffentlich und in der Presse kommentiert. In den Entstehungsprozess waren weder der Diözesanrat noch die anderen diözesanen Gremien, nicht mal die Vorstände, eingebunden. Doch gerade im Diözesanrat sind die Ehrenamtlichen vertreten, die vor Ort tätig sind - in den Dekanatsräten, Verbänden usw. Sie sind diejenigen, die die Befürchtungen, Ängste und Sorgen abbekommen und zugleich für die "Pastoral 2030" werben sollen.

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Frage: Was denken denn die Gläubigen über die angedachte Reform?

Kastner: Da gibt es schon viele Ängste. Die Menschen sehen nur diese eine Zahl: statt 224 Seelsorgeeinheiten nur noch 40 Pfarreien. Sie fragen sich, wie das gehen soll, wenn ihre gerade erst entstandene Seelsorgeeinheit nochmal vergrößert werden soll. Viele hängen eben wirklich noch am Kirchturm vor Ort. Sie fürchten, dass das gemeindliche Leben kaputt geht. Das, wofür sie sich jahrelang eingesetzt haben, unheimlich viel Herzblut drangehängt haben, schwindet einfach dahin. Gerade für die ältere Generation ist dieses Abschied nehmen schwer.

Frage: Bietet das Konzept denn auch Chancen?

Kastner: Auf jeden Fall. Es bilden sich ja schon ganz neue Strukturen, die auch Freiräume eröffnen. Es ist eine Chance, wenn aus den einzelnen Gemeinden die Verwaltung auf eine höhere Ebene verlegt wird und es eine hauptamtliche Geschäftsführung gibt. So werden Priester und Ehrenamtliche schon auch entlastet. Inzwischen gibt es so viele rechtliche Vorgaben – allein schon was die Steuern angeht – da macht es nicht mehr viel Freude, sich ehrenamtlich zum Beispiel im Verwaltungsrat zu engagieren.  Wir müssen jetzt einfach die Spielräume, die sich innerhalb der Großpfarreien öffnen, konsequent nutzen und Vorschläge machen, wie das Leben vor Ort gestaltet werden kann. Nach dem ersten Schock sollten wir das Negative aus dem Kopf bekommen und auch Chancen zu erkennen.

Frage: Nahezu alle Diözesen machen gerade ähnliche Prozesse durch – was sind spezifische Aspekte im Erzbistum Freiburg?

Kastner:  Bei uns gibt es die großen Städte wie Mannheim, Karlsruhe und Freiburg; in Heidelberg sind die einzelnen Seelsorgeeinheiten schon dabei, sich zu einer Stadtkirche zusammenzuschließen.  Aber es gibt auch sehr ländliche Gegenden, wo die Leute nicht ohne Auto von einer Kirche zur anderen kommen. Diese Gegebenheiten mit den zum Teil sehr weiten Wegen gilt es zu berücksichtigen. Das Erzbistum ist außerdem deckungsgleich mit dem Gebiet der Evangelischen Landeskirche Baden. Vielleicht könnte bei den Neustrukturierung der Kirchengemeinden die (geographische) Struktur der Landeskirche mit berücksichtigt werden. Die gute Zusammenarbeit in der Ökumene hier in Baden sollte auch in diesem Prozess genutzt werden.

Von Gabriele Höfling

Linktipp: Auch das Erzbistum Freiburg sieht sich zu radikalen Reformen gezwungen

Eine jetzt veröffentlichte Arbeitshilfe des Erzbistums Freiburg sieht groß angelegte Pfarreifusionen vor. In der begleitenden Videobotschaft erklärt Erzbischof Stephan Burger, dass die Zahl der Pfarreien auf etwa 40 reduziert werden soll. Der Diözesanrat der Katholiken zeigt sich überrascht.