Bischöfe zur Fastenzeit: Missbrauch, Caritas und Erneuerung
Angesichts des Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat der Münsteraner Bischof Felix Genn Verständnis für Kirchenaustritte geäußert. "Ich kann sehr gut verstehen, dass Menschen sich zu diesem Schritt entscheiden, haben doch diejenigen, die dazu gerufen waren, Beziehungen unter den Menschen zu stiften, diese Beziehungen zu ihren eigenen egoistischen Zwecken missbraucht", heißt es in seinem Fastenhirtenbrief. Ihn tröste jedoch, dass derjenige treu bleibe, der "am ehesten Grund hätte, aus dem 'Laden der Kirche' auszusteigen: der Herr selber". In der Vergangenheit habe die Kirche das Leid der Betroffenen nicht gesehen und daher im Umgang mit den Tätern falsch gehandelt.
Genn sichert zu, Täter und Vertuscher genau zu identifizieren und zu benennen. "Ich werde dafür Sorgen tragen, dass die persönlichen Verantwortlichkeiten aufgearbeitet werden – nicht aus Rache, sondern zum Wohle der Gerechtigkeit", so der Bischof. Er dankte allen, die trotz der "furchtbaren Skandale" ihre Mitarbeit an der Kirche nicht aufgegeben haben. Er wisse, dass viele Haupt- und Ehrenamtliche in der Kirche für Taten in Mithaftung genommen würden, die sie nicht begangen hätten. Auch ihm gehe es so.
Marx: Fastenzeit für Veränderungen in der Kirche nutzen
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx ruft angesichts von Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch dazu auf, die Fastenzeit zu nutzen, um grundlegende Veränderungen anzustoßen. "Es geht hier nicht einfach um einige kirchenpolitische Maßnahmen, sondern um einen Weg der Erneuerung, der allerdings auch mutig die Themen anpackt, die von den Gläubigen eingebracht werden und die sich auch durch die Diskussionen der letzten Monate als wichtig für den Weg in die Zukunft herausgestellt haben", schreibt Marx. Als Beispiel nennt er "das Thema der Macht, des Machtmissbrauchs und der Kontrolle von Macht in der Kirche". Auch müsse der Blick auf die Ausbildung der Priester und die priesterliche Lebensform gerichtet werden sowie auf Fragen der Sexualmoral der Kirche.
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Diese Fragen müssten auch in der Deutschen Bischofskonferenz weiter besprochen werden. "Ich verspreche Ihnen, dass ich mich sehr dafür einsetzen werde, dass dieser Weg in unserem Erzbistum und auch in der Kirche in Deutschland gegangen wird mit dem Mut, der aus der Kraft des Gebetes kommt", so der Erzbischof. Die Maßnahmen zur Prävention, Aufarbeitung und Orientierung an den Betroffenen seien selbstverständlich notwendig. Sie reichten aber nicht aus: "Wirklich hinschauen und hinhören bedeutet auch zu sehen, wo falsche Machtstrukturen Hindernisse aufbauen, wo Rechthaberei, Eifersucht und Machtmissbrauch das Klima in der Kirche, in den Pfarreien, in unseren Gemeinschaften vergiften." In der Kirche scheine gegenwärtig "das Gegeneinander unterschiedlicher Gruppen und theologischer Überzeugungen größer zu werden." Der Schritt des Zuhörens werde bisweilen nicht gemacht, und damit auch nicht der Schritt des gemeinsamen Verstehenwollens.
Bischof: Verantwortliche handelten bei Missbrauch beschämend
Der Limburger Bischof Georg Bätzing kritisiert in seinem Hirtenwort "das beschämende Handeln von Kirchenverantwortlichen in früheren Jahren" im Umgang mit Missbrauchsfällen. "Anstatt den Opfern Gehör zu schenken und ihnen Hilfe anzubieten, sind Täter gedeckt und ist Missbrauch verharmlost und vertuscht worden, um angeblich Schaden von der Kirche abzuwenden". Je öfter er mit Betroffenen spreche oder ihre Zeugnisse lese, "umso mehr wachsen meine Abscheu und Wut".
Die im Herbst veröffentlichte Studie zum sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige in Deutschland habe "die ganze Tragweite und zerstörerische Dynamik dieser abscheulichen Verbrechen" schonungslos offenbart, so Bätzing. "Es ist wichtig, dass hinter den Verbrechen sexualisierter Gewalt der Missbrauch geistlicher Macht als eigentliche Ursache benannt worden ist". Der Bischof kündigte für Ende März ein Maßnahmenpaket im Bistum an, um sexuellem Missbrauch entgegenzutreten und die Aufarbeitung voranzutreiben.
"Katholizismus und Nationalismus gehen nicht zusammen"
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ruft dazu auf, durch Teilnahme an den Kommunal- und Landtagswahlen in Thüringen sowie an der Europawahl das Gemeinwesen mitzugestalten. "Vergessen wir nicht, dass vor 30 Jahren die Menschen mit hohem persönlichem Risiko für freie Wahlen demonstriert haben", mahnte er und erteilte nationalistischen Bestrebungen eine Absage. "Da katholische Christen Glieder des weltumspannenden Gottesvolkes der Kirche sind, gilt der Grundsatz: Katholizismus und Nationalismus gehen nicht zusammen." Die Gemeinschaft der Gläubigen sei herausgefordert, "aus dem Geist des Evangeliums unser Leben, unsere Kirche und unsere Gesellschaft" mitzugestalten. Die Jubiläumsfeier zur Bistumsgründung vor 25 Jahren könne eine Gelegenheit sein, um daraus Elan und Optimismus zu schöpfen, so Neymeyr.
Stichwort: "Hirtenbrief"
Der Hirtenbrief ist das Schreiben eines Bischofs an die Gemeinden bzw. Gläubigen seines Bistums. Darin äußert sich der Bischof als Leiter des Bistums und oberster Priester zu Problemen der Zeit, zu theologischen oder seelsorglichen Fragen. Die Briefe werden in der Regel im sonntäglichen Gottesdienst verlesen. Ihr frühestes Vorbild haben die Hirtenbriefe in den Apostelbriefen im Neuen Testament. Mit ihren Schreiben haben die Apostel den Kontakt zu den Gemeinden gehalten, das Gemeindeleben geordnet sowie Streitigkeiten und theologische Grundsatzfragen geklärt. Auf dieser Linie liegen auch die Hirtenbriefe heutiger Zeit. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist es in deutschen Bistümern üblich, zu Beginn der Fastenzeit einen Hirtenbrief an die Gemeinden zu schreiben. (pfarrbriefservice.de)Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt sieht durch eine wachsende Sehnsucht nach Heimat auch die Kirche herausgefordert. In seinem Hirtenwort zur Fastenzeit rief er die Pfarrgemeinden auf, gastfreundliche Orte zu sein, an denen man sich beheimatet fühlen könne, und auf die Menschen zuzugehen. Unter anderem empfiehlt er, in jeder Pfarrei einen "Empfangsdienst" für Gottesdienste einzurichten, der "offene Augen für Fremde und Gäste hat". Er verwies auch auf die zahlreichen Getauften, die den engen Kontakt zur Kirche verloren hätten: "Mit ein wenig Fantasie lassen sich wenigstens in größeren Abständen niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten finden, zu denen offen eingeladen wird und wo man sich nicht sofort an eine Gruppe binden muss."
Weiter mahnte der Bischof, nicht negativ über die Menschen zu urteilen, die nur zu hohen Feiertagen in die Kirche kämen: "Manchen gestandenen Katholiken mag das ärgern und einen gewissen Unmut hervorrufen", so Ipolt. "Aber hier gilt es, abschätzige Blicke und Gedanken abzubauen und vielmehr neue Brücken zu bauen und ihnen in einladender Haltung zu begegnen."
Zdarsa: Pfarrgemeinden für eine solidarische Gesellschaft
Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa würdigt das vielfältige caritative Engagement – ehrenamtlich oder beruflich – in seinem Bistum. An vielen Stellen der Bibel werde deutlich, wie sich Jesus immer wieder bewusst einzelnen Menschen zuwende. Den Menschen Heilung und Befreiung zu bringen sei nicht nur ein Auftrag an Jesu Jünger, sondern vielmehr ein Wesensmerkmal für jeden gläubigen Christen.
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Das Leitbild seines Dienstes als Bischof von Augsburg sei die Neuevangelisierung und die Verlebendigung der Kirche in unserem Bistum. Ein wichtiger Baustein hierfür sei ein vertieftes Verständnis "unserer Berufung und Sendung zur Diakonie und zum Tatzeugnis des Evangeliums." Es gehe dabei um die Frage, wie jeder Einzelne von uns und wie wir als Gemeinde Christi Zeugnis von der Barmherzigkeit Gottes geben und welchen Einsatz wir dafür leisten könnten. Er teile dabei die mancherorts vorhandene Skepsis gegenüber den caritativen Aufgaben und dem Engagement der Gemeinden nicht. Zusammen mit den vielfältigen Diensten und Einrichtungen der Caritas seien die Pfarrgemeinden vielmehr "von größter Bedeutung für die Entwicklung einer menschlichen, solidarischen und am Gemeinwohl orientierten Gesellschaft", unterstreicht Zdarsa.
Mainzer Hirtenwort auch in Leichter Sprache
Unter der Überschrift "Eine Kirche, die teilt" entfaltet der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf die geistlichen Dimensionen des Pastoralen Wegs in seinem Bistum. Er regt an, sich am Ideal der christlichen Urgemeinde in Jerusalem zu orientieren. Es gehe darum, nicht um binnenkirchliche Themen kreisen, sondern vor Ort präsent zu sein. Jede Form der Besitzstandswahrung sei kritisch zu befragen, so Kohlgraf. Weiter betonte er, dass Verantwortung in der Kirche zu übernehmen nicht bedeute, über andere zu herrschen. Das gelte für Kleriker und jeden Gläubigen. Im Verlaufe des Pastoralen Weges würden sich gewiss angestammte Berufsbilder verändern, so der Bischof über die geplante theologische und strukturelle Erneuerung. Das Hirtenwort ist erstmals auch in Leichter Sprache, in Deutscher Gebärdensprache sowie in acht Sprachen verfügbar. (mit Material von KNA)