Kardinal über die Aufarbeitung des Missbrauchs

Marx: Einige sehen uns als Vorreiter, andere als Ketzer

Veröffentlicht am 28.03.2019 um 17:03 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Fehlende Glaubwürdigkeit und Transparenz, sexueller Missbrauch und eine "Kultur der Geheimhaltung": All diese Faktoren führen laut Kardinal Marx zu einem überfälligen kirchlichen Reformprozess. Auch er selbst habe für manche Einsicht Jahre gebraucht.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sieht die Veränderungen in der Kirche als "schmerzhaften" Prozess. "Die Einsicht ist nicht überall gleich, und einige suchen Zuflucht in der Vergangenheit", sagte Marx im Interview der französischen Zeitung "La Croix" (Donnerstag) in Paris. Die Katholiken selbst hätten gezeigt, dass sie eine Veränderung wollen, doch der Prozess sei "langsam".

Verlust der Glaubwürdigkeit, fehlende Transparenz bei Finanzfragen

Verstärkt werde der Prozess von einem Verlust der Glaubwürdigkeit, nachdem verschiedene Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt wurden sowie aufgrund einer fehlenden Transparenz bei Finanzfragen und einer "Kultur der Geheimhaltung", so der Münchner Erzbischof. "Diese Krise treibt uns an, unsere Arbeit an der Basis fortzusetzen." Die Kirche könne sich nicht mehr damit zufrieden geben, zu lehren.

Auf die Frage, ob die katholische Kirche in Deutschland einen Vorsprung beim Verständnis der aktuellen Veränderungen habe, sagte Marx: "Während einige uns als Vorreiter sehen, bewerten andere uns als Ketzer." Deutschland sei das einzige europäische Land mit zwei praktisch gleich starken Kirchen. In den Medien äußerten sich protestantische und katholische Theologen gleichermaßen. Das schaffe eine Atmosphäre des Austauschs.

Marx zeigte sich zudem aufgeschlossen gegenüber Reformen in der Kirche. Er sprach sich für eine "bessere Organisation" und eine "bessere Verteilung der Verantwortung" aus. "Ich habe mehrere Jahre gebraucht, um mir dessen bewusst zu werden, aber es scheint mir offensichtlich, dass wir keine Bischofssynode mehr einberufen können, ohne Laien, Frauen und Männer einzuladen", so Marx.

Die Zukunft Europas

Der Kardinal hatte zu Wochenanfang an zweitägigen Beratungen mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Frankreichs und der Schweiz, Georges Pontier und Felix Gmür, in Paris teilgenommen. Themen waren das europäische Gemeinwohl und die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses. (KNA)

Themenseite: Missbrauch

2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Seitdem bemüht sich die Kirche um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Bei ihrer Vollversammlung veröffentlichen die deutschen Bischöfe am 25. September 2018 eine Studie, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentiert.