Caritas warnt vor Skandalisierung von Armut
Caritas-Präsident Peter Neher kritisiert die Skandalisierung des Themas Armut und fordert einen differenzierten Umgang damit. "Wir müssen unterscheiden zwischen der Einkommens- und der Vermögensverteilung. In der Einkommensverteilung stagniert der Unterschied seit Jahren, aber auf hohem Niveau. Es stimmt nicht, dass hier die Schere immer weiter auseinandergeht", sagte Neher am Samstag der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er ärgere sich über "jede Empörungsrhetorik", denn sie vermittele ein falsches Bild und verstelle den Blick auf das, was wirklich nötig ist.
"Untergang wird beschworen"
Nicht korrekt sei auch die Behauptung, der Mittelschicht gehe es immer schlechter und sie nehme ab. "Richtig ist: Wir haben seit Jahren einen relativ konstanten Anteil der Mittelschicht von 49 bis 51 Prozent an der Gesamtgesellschaft. Dennoch wird auch hier gerne der Untergang beschworen." Dies bleibe nicht folgenlos, warnte Neher. "Wenn Sie die Mittelschicht schlechtreden, hat diese kein Empfinden mehr für diejenigen, denen es wirklich schlecht geht."
Ein Problem gebe es allerdings in der Vermögensverteilung, erklärte Prälat Neher. "Wer kein Eigentum hat oder Schulden, der wird vermutlich auch in zehn Jahren nichts haben. Wer aber 100.000 Euro Vermögen hat oder mehr, dessen Vermögen wächst." Zusammen mit Erbschaften ergebe dies bei der Vermögensverteilung eine dramatische Entwicklung. "Da müssen wir handeln", forderte der Caritas-Präsident. Unter anderem müsse diskutiert werden, wo es Sinn mache, steuerlich einzugreifen und was gegen die Armut der Betroffenen getan werden könne.
Neher: Grundsicherung aufstocken
Außerdem kritisierte Neher das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgestellte Grundrentenkonzept. Er halte es "nicht für geeignet, das komplexe Problem der Altersarmut zu lösen". Auch sei nicht sicher, dass "automatisch die wirklich Bedürftigen" erreicht würden. "Die Frage ist doch: Wer hat 35 Jahre ununterbrochen sozialversicherungspflichtige Zeiten?", sagte der Caritas-Präsident. Wer wirklich die von Altersarmut Betroffenen unterstützen wolle, müsse "Menschen in der Grundsicherung in den Blick nehmen", forderte er. Beispielsweise könne die Grundsicherung aufgestockt werden, schlug er vor. (gho/KNA/epd)