Theologin: Down-Syndrom-Bluttest nicht zur Kassenleistung machen
Die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl warnt vor den Konsequenzen einer Kostenübernahme des Bluttests zur Trisomie-Früherkennung durch die Krankenkasse. Da ein positiver Test in den meisten Fällen zur Abtreibung führe, wäre ein solcher Schritt ein "faktisches Screening auf Behinderungen", warnte Schlögl-Flierl im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntag in Augsburg. Der Test habe keinerlei therapeutische Funktion.
Seit 2012 können schwangere Frauen mit einem Bluttest abklären, ob beim Fötus eine Trisomie vorliegt. Am Donnerstag will der Bundestag darüber debattieren, ob dieser Test künftig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wird.
Die Theologin äußerte grundsätzliche Bedenken gegen den Test. Mit der Verfügbarkeit steige der Erwartungsdruck, ein gesundes Kind zu bekommen, ebenso wie der entsprechende Anspruch der Gesellschaft. Zudem habe der Umgang "Konsequenzen für die Selbstwahrnehmung der Menschen mit Behinderung, aber auch für den Umgang der Gesellschaft mit behindertem, krankem oder erblich belastetem Leben".
"Faktisches Screening auf Behinderungen"
Derzeit entscheide noch jede Frau individuell, ob sie den Test machen wolle. "Wenn er aber zu einer allgemeinen Kassenleistung der Gesetzlichen Krankenkassen wird, kehren sich die Gewichte um: Der Test wird dann wie die Ultraschalluntersuchungen praktisch als Teil der pränatalen Untersuchungen zur Norm". Jede Schwangere werde sich rechtfertigen müssen, wenn sie ihn nicht in Anspruch nehme.
Es sei ein "Zynismus", wenn derzeit die zehnjährige Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland gefeiert und zur selben Zeit darüber debattiert werde, ob ein "faktisches Screening auf Behinderungen in die Schwangerschaftsuntersuchungen" aufgenommen werden solle, beklagte die Theologin.
Sollte er dennoch zur einer Regelleistung werden, "dann sollte der Test grundsätzlich erst ab der zwölften Schwangerschaftswoche für bestimmte Risikoschwangerschaften erlaubt sein", so Schlögl-Flierl. Ferner sollten Schwangere vor der Anwendung neben der genetischen eine unabhängige psychosoziale Beratung erhalten und über mögliche Entscheidungskonflikte aufgeklärt werden.
Vor der Bundestagsdebatte am Donnerstag ringt das politische Berlin derzeit um die umstrittenen genetischen Bluttests vor der Geburt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will einem Medienbericht zufolge eine Debatte in der CDU-Führung über den Kurs der Partei. Der "Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenbeauftragten" wird voraussichtlich im Herbst entscheiden, ob gesetzliche Krankenkassen künftig die Tests bezahlen sollen. Mit ihnen können etwa das Down-Syndrom (Trisomie 21) und andere Chromosomenstörungen festgestellt werden.
Der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), sagte der "Welt am Sonntag", das Thema Bluttests sei "der Vorbote von vielen Debatten, die wir in den nächsten Jahren führen werden. Die medizinisch-ethischen Fragen werden die Art und Weise, wie wir und nach welchen Werten wir leben, massiv hinterfragen."
Schmidt: "Wir müssen eine ethische Debatte über die Grenzen des Machbaren führen"
Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt, die Mutter eines Sohnes mit Trisomie 21 ist, forderte, die Entscheidung im Parlament zu debattieren: "Wir müssen eine ethische Debatte über die Grenzen des Machbaren führen: Was können wir erkennen, was wollen wir erkennen und wie gehen wir mit diesem Wissen um?"
Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, sagte: "Wir müssen weg von der Frage der Kassenzulassung hin zu einer ethischen Debatte darüber, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Wollen wir eine Gesellschaft, in der nur noch gesunde und leistungsfähige Kinder geboren werden und die anderen vorgeburtlich aussortiert werden?" (rom/KNA)